Rufschädigung im Muldental

NPD-Kader wollen sich am Wochenende in Sachsen zum Bundesparteitag treffen

Der für den kommenden Samstag geplante Bundesparteitag der NPD im sächsischen Mulda (Landkreis Freiberg) schlägt hohe Wellen. Anfang Dezember hatte der Bürgermeister des 3 200-Seelen-Dorfes, Gottfried Hegewald, im Alleingang mit dem Bundesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation (JN) einen Vertrag über die Nutzung der gemeindeeigenen Muldentalhalle abgeschlossen.

Hegewald gehörte der Allianz Unabhängiger Wähler (AUW) an, die im örtlichen Gemeinderat die Mehrheit stellt. Seine Entscheidung rechtfertigte er mit einem fünfstelligen Minus im Haushalt der Halle. Dennoch erntete er massive Kritik aus der AUW selbst, aber auch von der örtlichen Bevölkerung, dem Gewerbeverein und und AntifaschistInnen. Die Folge: Hegewald machte - inzwischen aus der AUW ausgeschlossen - einen Rückzieher: Ende Dezember kündigte er den Vertrag. Zuvor hatte der Gemeinderat erklärt, "diese Veranstaltung in keiner Weise zu unterstützen". Die anwesenden zwölf Gemeinderäte stellten fest, daß sie "zu keiner Zeit und in keiner Form" über Hegewalds Vertragsabschluß informiert worden seien.

Der JN-Bundesvorsitzende Holger Apfel drohte daraufhin rechtliche Schritte an. Nun ist davon auszugehen, daß die NPD kurz vor dem Wochenende beim Verwaltungsgericht Chemnitz eine Einstweilige Verfügung gegen die Kündigung des Mietvertrags einreichen wird. Nach Ansicht des Landratsamtes ist die Kündigung ohnehin nur im beiderseitigen Einvernehmen möglich. Mit einem rechtlichen Erfolg der NPD ist also zu rechnen. Auch die Polizei geht offenbar davon aus, daß der Parteitag stattfinden wird: Der Leiter des Führungsstabs der Polizeidirektion Freiberg, Christian Ott, kündigte am Donnerstag vergangener Woche einen Großeinsatz von Polizei und BGS an.

Die NPD selbst spricht von einer geschlossenen "Veranstaltung mit rund 400 Teilnehmern". Die Neonazis wollen auf ihrem Parteitag ihre Strategie für die kommenden Landtags- und Kommunalwahlen in diesem Jahr festlegen. Insbesondere in Sachsen rechnet sich die Partei, die dort über ihren zahlenmäßig stärksten Landesverband verfügt, Chancen aus, bei den Kommunalwahlen in zahlreiche Gemeindevertretungen zu kommen. Gleichzeitig hofft der sächsische Landesverband unter Führung des Dresdners Jürgen Schön auf einen Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde bei den Landtagswahlen.

Eine einheitliche Strategie kann die NPD zur Zeit nicht vorweisen: Gerade in Sachsen streitet sich der Parteivorstand mit den sogenannten Freien Kameradschaften unter Führung des NPD-Kreisvorsitzenden Markus Müller aus Wurzen über die Werbewirksamkeit größerer Aufmärsche. Während für die Kameradschaften Demonstrationen ˆ la Rostock von zentraler Bedeutung für die Einbindung jugendlicher SympathisantInnen sind, befürchtet die Parteispitze, daß sie abschreckend auf WählerInnen wirken, die ansonsten mit den rassistischen und antisemitischen Parolen der NPD sympathisieren.

Ob sich die NPD-Führungsriege durchsetzen wird, ist offen - immerhin lag Organisation, Durchführung und Mobilisierung der letzten großen Aufmärsche in Rostock, Bonn und Berlin-Tegel eher in der Hand von Führungskadern verbotener Neonaziorganisationen wie Christian Worch und Thomas Wulff aus Hamburg. Die alte Clique der ehemaligen Funktionäre der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GDNF) benutzt die NPD und JN immer offener als legale Scharnierorganisation zur Durchsetzung ihres Führungsanspruches in der bundesweiten militanten Neonaziszene. Der Bundesvorstand der NPD versammelt sich jedenfalls schon am 22. Januar im Hotel Muldaer Hof, um erste Vorentscheidungen zu treffen.

Kurz nach Bekanntwerden der NPD-Pläne reagierten Antifas: Die Muldentalhalle wurde mit Parolen beschrieben, und das Antifaschistische Aktionsbündnis Freiberg begann mit der Mobilisierung für eine Demonstration (siehe Action-Spalte). Unterstützung kommt auch von der PDS und der ÖTV. Antifabündnisse aus Leipzig, Dresden und Berlin mobilisieren ebenfalls.

Innerhalb der Bevölkerung sind die Reaktionen bisher geteilt, man ist vor allem darum bemüht, Schadensbegrenzung in Sachen Rufschädigung zu betreiben und befürchtet "Krawalle von Extremisten beider Seiten". Das Antifa-Bündnis will mit einer Veranstaltung in Mulda versuchen, vor Ort um Unterstützung für die Gegendemo zu werben.