VerPAZter Prozeß

In Passau steht eine Antifaschistin vor Gericht - wegen "öffentlicher Aufforderung zu Straftaten"

Seinen großen Auftritt hatte Amtsrichter Rudolf Hammer bereits vor der Verhandlung: Er ließ den Gerichtssaal räumen, weil anwesende ProzeßbeobachterInnen den Raum nicht verlassen wollten. Über 100 Interessierte hatten sich in den Saal gedrängt, um Anfang letzter Woche den ersten Prozeß gegen eine Mitinitiatorin der Passauer Aktion Zivilcourage (PAZ) im Passauer Amtsgericht zu verfolgen.

Doch nur 36 Sitze waren vorgesehen, und Richter Hammer weigerte sich, in einen größeren Saal zu wechseln. Nur ein kleiner Teil der Interessierten konnte so den Prozeß wegen "öffentlicher Aufforderung zu Straftaten" gegen Eleonore Stern verfolgen, die zusammen mit anderen zur gewaltfreien Blockade der Passauer Nibelungenhalle im Februar 1998 aufgerufen hatte. Rund 5 000 AnhängerInnen der NPD waren damals den Rechtsextremen zu ihrem "Tag des nationalen Widerstandes" gefolgt.

Trotz des stürmischen Auftakts blieben Richter Hammer und die Staatsanwaltschaft während des Prozesses ruhig. Sogar einer ausführlichen Prozeßerklärung der 37jährigen Rechtsanwältin Stern über die Bedeutung der NPD einerseits, der Motive und Geschichte der PAZ andererseits, lauschte der Richter geduldig. Nicht ohne Grund: Neben den versammelten lokalen Medien verfolgten zahlreiche Presse-VertreterInnen die Verhandlung.

Von den ursprünglich 15 eingeleiteten Ermittlungsverfahren - wegen Verstössen gegen Paragraph 111 StGB - ist nur das gegen Eleonore Stern übriggeblieben. Mehr als 2 000 PassauerInnen hatten Anfang 1998 mit ihrer Unterschrift den Aufruf zur gewaltfreien Blockade unterstützt. Ein Passauer Jura-Professor hatte bereits vor der Aktion geäußert, daß eine Blockade-Teilnahme strafrechtlich nicht von Belang sei, sondern höchstens eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit Bußgeld belegt werden könne. Der Passauer Oberstaatsanwalt Peter Dallmayer sieht das anders: "Es ist davon auszugehen", rechtfertigt er die Verfahrenseinstellungen, "daß den Beteiligten nicht bewußt war, daß sie sich mit ihrer Unterschrift möglicherweise an einer strafbaren Handlung beteiligt haben."

Hintergrund: Der überwiegend konservativen Passauer Öffentlichkeit wäre schwerlich zu vermitteln gewesen, daß etwa der bischöfliche Generalvikar Lorenz Hüttner oder Rudolf Kollböck, Chefredakteur der Lokalzeitung Passauer Neue Presse, zum Ziel der Strafverfolgung hätten werden können. Im Verfahren gegen Stern will die Staatsanwaltschaft jedoch strafrechtliche Konsequenzen sehen. Sie fordert eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 4 800 Mark - und setzt damit erneut auf Abschreckung.

Nach der erfolgreichen Blockade im Frühjahr hatte die PAZ im Herbst letzten Jahres einen zweiten Aufruf zum zivilen Ungehorsam gestartet. Diesmal gegen die alljährliche Großveranstaltung der DVU. Doch der erhoffte Erfolg blieb aus. "Die zahlreichen polizeilichen Beschlagnahmungen von Flugblättern und Unterschriftenlisten an unseren Info-Ständen und die plötzlich negative Berichterstattung in der Lokalpresse haben sich deutlich in der öffentlichen Akzeptanz der PAZ niedergeschlagen", bedauert Stern. Nur noch wenige Menschen hätten sich an der DVU-Blockade beteiligt.

Dabei war mit Gründung der PAZ erstmals wieder ein breites Bündnis entstanden. "Die Zusammenarbeit im Bündnis gegen die DVU, das von autonomen Antifa-Gruppen bis Gewerkschaften reichte, gestaltete sich von Jahr zu Jahr schwieriger", beschreibt Stern die Situation in Passau vor der Gründung der PAZ. "In letzter Zeit waren fast nur noch AktivistInnen aus autonomen Antifa-Strukturen gegen die rechtsextremen Veranstaltungen in der Stadt aktiv."

Das Konzept der PAZ hebt sich vom bisherigen Protest ab: "Statt Widerstand einem Bündnis politischer Gruppierungen zu überlassen", erklärt die Rechtsanwältin, "wollten wir mit einer aus allen gesellschaftlichen Bereichen getragenen Blockade der NPD etwas entgegensetzen." Zumindest im Februar hatte dies Erfolg. Die Kabarettisten Bruno Jonas und Sigi Zimmerschied unterstützten die PAZ ebenso mit ihrer Unterschrift wie Mitglieder des Stadtrats, GewerkschafterInnen und Mitglieder kirchlicher Gruppen.

Das half alles nichts; die antifaschistische Arbeit in Passau wurde weiter behindert. Zuletzt hat die Staatsgewalt im Mai bundesweit 36 Hausdurchsuchungen bei - teilweise ehemaligen - PassauerInnen durchgeführt. Ihnen wird vorgeworfen, in Passau antifaschistisch aktiv (gewesen) zu sein. Gegen mindestens 33 Personen wird wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" (Paragraph 129) ermittelt.

Auch gegen Eleonore Stern läuft noch ein Verfahren nach dem Schnüffelparagraphen. Die NPD hatte im letzten Februar Strafanzeige erstattet.