Schönbohm in der Jungen Freiheit

Grundkanon der Volksgemeinschaft

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Ihm bedeute der "Begriff Nation" sehr viel. Denn die deutsche Einheit könne man "nur aus dem Begriff der Nation heraus" erklären. Nation, das ist für ihn "ein ganz wichtiger Identifikationsrahmen in der Geschichte", der als "Schicksalsgemeinschaft, Staatsvolk, Kultur und gemeinsame Zukunftsgestaltung" daherkomme. Wer den Begriff der Nation ablehne, habe eben noch nicht begriffen, daß auch im "mehr zusammenwachsenden Europa" die Nation weiterhin der "entscheidende Bezugs- und Orientierungsrahmen" bleibe. Solange Deutschland geteilt war, habe das schließlich "große Schwierigkeiten" bereitet.

Der, der diese am Freitag vergangener Woche veröffentlichten Sätze der rechtsradikalen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) ins Mikrofon diktiert hat, ist Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schönbohm. Der ehemalige Berliner Innensenator ist bekannt für seine schmissigen Parolen: "Parallelkulturen" dürften in "unserer künftigen Gesellschaft" nicht entstehen, erklärt er der rechten Wochenzeitung, die ihm ihrerseits geradezu huldigend anträgt, er habe den Begriff von der "deutschen Leitkultur" geprägt. Denn die "Grundlage unseres Zusammenlebens" sei die "deutsche Kultur", so "wie sie sich seit Otto dem Großen bis heute" entwickelt habe. Diese deutsche Kultur habe "immer in Berührung mit anderen Kulturen" gelebt und sich dabei weiterentwickelt. Deshalb müsse sie auch die "Grundlage" sein - der "Grundkanon", wie sich Schönbohm in Anlehnung an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ausdrückt. Und wenn es dann in Deutschland "eine Vielfalt von Kulturen" geben werde, dann müsse eben "immer klar sein", daß "die deutsche Kultur die Basis" sein müsse. So oder ähnlich hat es der Landesverband der CDU in Hessen auch getrieben, um mit der rassistischen Unterschriftenkampagne den Wahlsieg zu erreichen.

Ob die CDU künftig stärker das Volk mit einbeziehen werde, wollten JF-Chefredakteur Dieter Stein und Politik-Ressortleiter Thorsten Thaler vom Generalleutnant a.D. wissen. Schönbohm hatte zuvor versprochen, er wolle im Sinne von Franz Josef Strauß "dem Volk aufs Maul schauen". Die Hessenwahl kommt da nur gelegen - als Beispiel. Sie habe, so Schönbohm, die "politische Willensbildung" der Unterschriftenaktion der Union "untermauert". Das Volk einbeziehen würde der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium schon gern, doch leider fehle ihm für die Landtagswahl in Brandenburg "ein solch emotionalisierendes Element".

Darauf angesprochen, ob die CDU bei der Einführung des Euro gekniffen habe, meint Schönbohm: "Das hat Manfred Brunner mit dem Bund Freier Bürger ja versucht." Der Bund Freier Bürger hatte den Euro stets als "Einstiegsdroge für die Auflösung Deutschlands" begriffen und massiv gegen seine Einführung gehetzt. Daß die rechtsradikale Partei sozusagen als Lückenbüßer der CDU gedient hat, war bis dato neu.

CDU-Landessprecher Johannes Bohnen bestätigte gegenüber dpa das JF-Interview von Schönbohm. Alles andere wäre auch mehr als wunderlich gewesen, war es doch zweiseitig - mit zwei großen Fotografien layoutet - nachzulesen. Man sei davon ausgegangen, daß die Zeitung "unabhängig" sei, so Bohnen weiter. So unabhängig, daß das Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen für die Junge Freiheit seit 1994 eine eigene Rubrik im Landesverfassungsschutzbericht eingerichtet hat. Und nicht nur diese Stelle weist darauf hin, daß die Zeitung "rechtsextrem" einzustufen ist: Im wissenschaftlichen Diskurs wie in der Mehrheit der Medienberichterstattung wird dies seit Jahren so eingeschätzt.

Schönbohm erklärt aber eigentlich auch selbst ganz gut, warum sein Interview genau in diese Junge Freiheit gehört, wenn er von "nationalen Interessen" schwadroniert, die man definieren und schließlich vertreten müsse. Denn wenn er sagt, die Nation spiele als "abstrakte Denkfigur nicht die entscheidende Rolle", sondern "eher das deutsche Volk als Gemeinschaft", dann ist er inhaltlich schon lange bei denen angelangt, die die Gesellschaft nur als Gemeinschaft kennen, genauer gesagt: als Volksgemeinschaft.