Aufmarschieren für die Normalität

Der Wahlkampf von Rechtsaußen für Berlin und Brandenburg hat begonnen

Aufmarschieren zur Wahl? Kundgebungen abhalten? Oder doch lieber nur Plakate kleben? Die rechtsextremen und neonazistischen Parteien DVU, Republikaner und NPD versuchen derzeit, mit Veranstaltungen und Aufmärschen ihre Anhänger für die im September anstehenden Wahlen in Brandenburg und Berlin zu mobilisieren. Für den kommenden Samstag hat die NPD deshalb einen Aufmarsch unter dem Motto "Für ein nationales Staatsbürgerschaftsrecht, gegen doppelte Staatsbürgerschaft, Ausländerintegration und Multikulti" im Berliner Bezirk Weißensee geplant.

Für das Antifaschistische Aktionsbündnis III, das zu einer Gegendemonstration aufruft, ist klar, warum die Nazis sich ausgerechnet Weißensee ausgewählt haben: In der Nähe der NPD-Auftaktkundgebung in der Pistoriusstraße befindet sich die Berliner Landesgeschäftsstelle der Partei. Aber nicht nur dort, sondern auch in der näheren Umgebung seien in jüngster Zeit verstärkt Aktivitäten von Neonazis beobachtet worden. Der nahegelegene "Treffpunkt Charlott" zum Beispiel fungiere regelmäßig als Anlaufstelle für Berliner Nazi-Kader und sympathisierende Skinheads. Besondere Brisanz erhält die Wahl des Aktionsortes, für den auch auf den Internetseiten verschiedener Naziorganisationen geworben wird, durch die Nähe zum Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee.

Eine Statistik der Berliner Innenverwaltung verdeutlicht, daß auch die neonazistische Gewalt im Norden Berlins zugenommen hat: 36 Prozent aller Tatverdächtigen bei rechtsextremen Straftaten kommen aus den Bezirken Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee; hier fand im vergangenen Jahr jeder fünfte aller in Berlin offiziell erfaßten rassistischen Angriffe statt.

Auch bundesweit setzt die NPD verstärkt auf öffentliche Aufmärsche: Über Straßenmobilisierungen soll jugendlichen Sympathisanten ein Gemeinschaftserlebnis geboten werden. Gleichzeitig versucht die Partei auch, solche Aktivitäten zur Normalität werden zu lassen. Wenn es kaum noch ein Wochenende gibt, an dem nicht in irgendeiner deutschen Stadt ein NPD-Aufmarsch oder eine Kundgebung stattfindet, so die Strategie, werde in der Öffentlichkeit die Akzeptanz für Aktionen der militanten Neonazis zunehmen. Berlin wird dabei als Aufmarschort immer beliebter. Das mag auch daran liegen, daß der Berliner Innensenat in der Vergangenheit kaum Interesse zeigte, Nazi-Versammlungen zu unterbinden.

Aber auch in Brandenburg, wo der Wahlkampf für die diesjährigen Landtagswahlen ebenfalls begonnen hat, mobilisieren die NPD und ihre Jugendorganisation JN regelmäßig zu öffentlichen Auftritten. Nach dem Aufmarsch von rund 300 Neonazis aus Brandenburg in Angermünde Ende Februar folgte drei Wochen später ein Wahlkampfstand in der NPD-Hochburg Fürstenwalde - betreut vom NPD-Kader Jörg Hähnel und seiner Schlägertruppe aus Frankfurt/Oder. Am vergangenen Samstag ging es weiter: Zahlreiche Neonazis zogen unter dem Motto "Arbeit brauchen wir - nicht Krieg" durch die brandenburgische Kleinstadt Neuruppin.

Während die NPD trotz interner Streitigkeiten - ein Teil der Partei um den Vorsitzenden Udo Voigt mobilisiert für den 17. April nach Frankfurt/Oder, ein anderer für denselben Tag nach Magdeburg - weiter auf die Werbewirksamkeit von Aufmärschen vertraut, setzt die DVU auf parteiinterne Großveranstaltungen. So trafen sich am 28. März unter den wachsamen Blicken des angereisten DVU-Chefs Gerhard Frey rund 400 DVU-Mitglieder aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

In der Gaststätte "Schützenhof" im Nordberliner Stadtteil Hakenfelde nahm man gleichzeitig die Kandidatenkür für die Brandenburger Landtagswahlen und die Neugründung des Berliner Landesverbands in Angriff. Nach Angaben des neuen Berliner DVU-Vorsitzenden Markus Nonninger hat die DVU für die Wahlen in Brandenburg Absprachen mit den Republikanern getroffen und hofft, für das Votum zum Berliner Abgeordnetenhaus ein ähnliches Abkommen erreichen zu können.

In Brandenburg konnte die DVU im letzten September bei den parallel zur Bundestagswahl stattfindenden Kommunalwahlen zum Teil wesentlich bessere Ergebnisse als die Republikaner, die dort über sehr schwache Strukturen verfügen, erzielen. In Berlin hingegen können die Republikaner auf eine gut ausgebaute Parteistruktur zurückgreifen.