Asten angesägt

Seit 1994 zeigen rechte Hochschulgruppen regelmäßig linke Asten wegen Überschreitung ihres hochschulpolitischen Mandats an
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Die StudentInnen sind tot, es lebe die Studentenschaft - das erhofft sich für die Zukunft zumindest der Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS).

Ginge es nach den Wünschen des CDU-Hochschulverbands, dürften Verfaßte Studierendenschaften an den Universitäten in ihren Publikationen bald nicht einmal mehr das Wort "StudentInnen" verwenden. Bereits im März 1996 erstattete der RCDS in Wuppertal Anzeige gegen den Asta der Gesamthochschule. Das Binnen-I, begründete ein RCDS-Vertreter die Klage, verstoße gegen das Gesetz: Schließlich werde damit "feministische Sprachpolitik und keine Hochschulpolitik" betrieben. Das Urteil steht noch aus.

Andere jedoch nicht: Bundesweit wurden seit 1994 zehn Verfaßte Studierendenschaften wegen "allgemeinpolitischer" Äußerungen verurteilt; rechte Gruppierungen an den Universitäten haben die Asten mit einer Klagewelle überzogen. Neuester Fall: eine Klage gegen den Asta der Freien Universität Berlin. Grund: Die StudentenvertreterInnen hatten für eine Veranstaltungsreihe zum Thema "Kein Thema für die Hochschule? Doch" geworben und sich dabei auch zu Themen wie Abschiebung und Rechtsextremismus geäußert, die - so das Gericht - "keinen hochschulpolitischen" Bezug aufwiesen. Wegen erneuter Mißachtung der Vorgaben verhängten die RichterInnen am 11. März dieses Jahres ein Ordnungsgeld in Höhe von 10 000 Mark gegen den Asta.

Der Anklagepunkt ist immer derselbe: fehlender hochschulpolitischer Bezug einzelner Asta-Veranstaltungen oder -Publikationen. So schaffte es auch das Oberverwaltungsgericht Bremen, der dortigen Studierenden-Vertretung einen Maulkorb zu verpassen. Nicht mehr äußern, so die Richter, dürften sich Asta-VertreterInnen künftig zu folgenden Themen: Energiepolitik einschließlich Castor-Transporte, Kurdenpolitik der Türkei, Innere Sicherheit, Arbeitsmarktpolitik, Verkehrspolitik und Asylpolitik. Und selbst zu Wohnungs- oder Sozialpolitik untersagte das Gericht künftige Stellungnahmen - bei Zuwiderhandlungen drohen nun Bußgelder bis zu 500 000 Mark.

Und auch die Klagen kommen stets aus demselben Spektrum: Konservative, korporatistische oder rechtsextreme Gruppen sind es, die so versuchen, die immer noch vorwiegend von linken Gruppen dominierten Asten politisch mundtot zu machen: In Marburg und Münster waren es Republikaner, die klagten, in Bielefeld schreibt einer der dortigen Kläger für die rechtsextremistische Wochenzeitung Junge Freiheit, anderswo haben Burschenschaftler oder RCDS-Mitglieder Anzeige erstattet.

Dabei berufen sich die Konservativen auf ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts: Das politische Mandat, so die Richter 1979, sei "nicht verfassungskonform". Da es sich bei den Verfaßten Studierendenschaften um "öffentlich-rechtliche Zwangsverbände" handele, deren Status dem einer staatlichen Institution entspreche, dürfen sie auch keine allgemeine Äußerungen im Namen aller Studierenden treffen - schließlich könnten die Studierenden aus dieser Zwangsmitgliedschaft nicht freiwillig austreten.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs sah das noch anders aus. Nachdem die westlichen Alliierten die Organe der Verfaßten Studierendenschaften bei Gründung der Bundesrepublik eingeführt hatten, ermunterten konservative Politiker diese geradezu dazu, sich politisch zu äußern. So rief etwa der damalige Innenminister Gerhard Schröder (CDU) die "deutschen Studentenschaften" in den fünfziger Jahren dazu auf, sich an den Fackelumzügen zum 17. Juni zu beteiligen. Auch gegen die Ausrichtung antikommunistischer Demonstrationen hatte niemand etwas einzuwenden.

In den sechziger Jahren dann änderte sich das politische Klima an den Universitäten: Die Asten kritisierten Atomwaffenversuche, Vietnam-Krieg oder Notstandsgesetze - und die Justiz reagierte. Die ersten Gerichtsurteile, die eine Trennung zwischen sogenannter "Allgemeinpolitik" und "Hochschulpolitik" einforderten, stammen aus dieser Zeit. Auch der RCDS entdeckte den Kampf gegen das politische Mandat als neues Betätigungsfeld - und überzog die linken Asten mit Klagen. Mit Erfolg: 1973 schaffte Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß die Verfaßten Studierendenschaften - den "Sympathisantensumpf des Terrorismus" - ab, Baden-Württemberg folgte 1977.

Inwieweit die Klagen gegen das politische Mandat seitdem genutzt werden, um unliebsame Äußerungen juristisch zu unterbinden, macht auch die aktuelle Klage gegen den Asta der FU-Berlin deutlich. Obwohl der Frankfurter Soziologe Alex Demirovic im letzten Jahr über rechtsradikale Tendenzen unter Studierenden referiert hatte, entschied das Verwaltungsgericht Berlin, daß der Vortrag keinen Bezug zur Hochschule aufweise - es sich also um eine unzulässige "allgemeinpolitische" Veranstaltung handele.

Dabei ist im Berliner Hochschulgesetz das politische Mandat seit 1990 sogar gesetzlich verankert. Die rot-grüne Regierung Walter Mompers formulierte damals ausdrücklich eine weitgehende politische Betätigung der StudentInnen-Vertretung: "Die Studentenschaft hat die Belange der Studentinnen und Studenten in Hochschule und Gesellschaft wahrzunehmen." In diesem Sinne nehme die Studierendenvertretung "im Namen ihrer Mitglieder ein politisches Mandat wahr".

Gesetzlich verankert, juristisch verboten: Elène Misbach vom Asta der FU Berlin vermutet hinter der durch die Rechtssprechung verordnete Trennung von Hochschulpolitik und Allgemeinpolitik den politischen Versuch, einen "Gegensatz zwischen Wissenschaft auf der einen Seite und Gesellschaft auf der anderen Seite" aufzubauen. Für sie sind die Urteile als solche schon "wissenschaftsfeindlich": "Welchen Wert hat die Hochschulpolitik ohne allgemeinpolitischen Bezug? Wie ist die Beschäftigung mit Wissenschaft denkbar, wenn die gesellschaftlichen und politischen Implikationen und Folgen wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgeblendet werden?"

Morus Markard, Dozent an der FU, geht sogar noch weiter. Die Kläger bezeichnet er als "die studentischen Putz-Lumpen der Reaktion", die den Regierenden "zur ungestörten Durchsetzung des neoliberalen Projekts" an den Hochschulen gerade recht kämen - Ziel sei es, die Hochschulen "zu reinen Ausbildungsfabriken" umzuwandeln.

Um das und die weitere Aushöhlung des politischen Mandats zu verhindern, haben die Asten im März eine bundesweite Kampagne "Für das politische Mandat" gestartet - in einer bundesweit vertriebenen Zeitung finden sich all die Themen wieder, die in den unterschiedlichen Asta-Publikationen bereits verboten wurden. Die Aktion hat auch schon den ersten Erfolg gezeitigt: Wegen fehlendem hochschulpolitischem Bezug ist gegen den Asta in Münster Anzeige erstattet worden. Es ist die 26. seit 1994.