Ein Porsche für die Umwelt

In "Zivilprozeß" zeigt John Travolta, daß ein Jura-Studium zur Weltverbesserung taugt

Beschwingten Schritts eilt John Travolta alias Jan Schlichtmann in den Gerichtssaal und offenbart dem Publikum unumwunden die Regeln des Geschäfts: "Geschädigte Frauen bringen nicht viel - die perfekten Klienten sind weiße Männer um die vierzig." Im Gerichtssaal tupft er professionell fürsorglich seinem Auftraggeber, einem vollständig gelähmten Mann, der natürlich die passende Hautfarbe und das richtige Alter hat, die Speichelfäden vom Kinn, bevor er sich - "Euer Ehren" - dem Richter zuwendet und die Schadensersatzklage in einem knappen Wortgefecht zum siegreichen Ende führt. Anschließend belohnt er sich vergnügt im nächsten Einkaufszentrum mit einer weiteren Seidenkrawatte samt bordeauxfarbenem Einstecktüchlein.

"Zivilprozeß" von Steven Zaillian, der auch das Drehbuch zu "Schindlers Liste" verfaßte, gibt sich zunächst intellektuell. Mit Sorgfalt und einigem technischem Schnickschnack führt er ein, worum es in diesem "Umweltthriller" gehen soll: Geldgier, Ruhm, Menschenliebe, Umweltverschmutzung und Wasser, immer wieder Wasser - das Lebenselixier des Menschen.

Schlichtmann, der erfolgreiche Anwalt, der das Recht auf Schadensersatz seiner zum Teil recht mitgenommenen Opfer gegen die skrupellosen Profitinteressen der großen Konzerne durchsetzt, gewinnt so allmählich an Profil: Als eine Art Robin Hood der achtziger Jahre frönt er dem kritischen Hedonismus und läßt es sich gut gehen mit seiner hochbezahlten Menschenfreundlichkeit. Was so selbstverständlich nicht weitergehen darf, im Film.

So beginnt das Drama, als kleine unschuldige Kinder an Leukämie sterben, weil eine Gerberei illegal ihre Abwässer in die Flüsse leitet. Wenigstens gilt es, diese Kausalkette vor Gericht zu beweisen: Schlichtmanns nächster Fall. Der Film erzählt, so steht's im Programmtext, eine authentische Geschichte, was auch nur leicht übertrieben ist, da er immerhin auf dem gleichnamigen Bestseller von Jonathan Harr basiert, der seinerseits auf einem realen Fall beruht.

Tatsächlich aber ist das Unterhaltsame an dem Film vorrangig, wie strikt einfallslos er sich an das Schema "Wie bastele ich mir einen Hollywoodfilm" hält. So wird die Hauptfigur zu Beginn natürlich in ihrem Alltag präsentiert: Gerichtssaal und Designer-Klamotten-Geschäfte. Die nun fällige Herausforderung, einen moralisch einwandfreien, aber riskanten Fall anzunehmen, weist der Held - zweiter Schritt im ersten Akt - ebenso regelgetreu zurück. Erst ein Mentor, der oder die häufig über übernatürliche Kräfte verfügt, bewegt ihn dazu, die gewohnte Welt zu verlassen, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Im vorliegenden Fall bringt die Mutter (wilde graue Haare plus grüne schrägstehende Augen = leicht hexenhaft) eines der verstorbenen Kinder mit ihrem sentimentalen Appell an die Humanität das bis dahin gefestigte Kalkül des Anwalts ins Wanken.

Auf einer Brücke mit Blick auf den Fluß, der bereits unheilvolle Blasen schlägt, entscheidet sich Travolta für die gute Sache - und wagt den Schritt in die andere, abgründige Ordnung, wo nicht mehr Profitgier, sondern der Drang nach Gerechtigkeit mit Profilierungssucht einhergeht. Jetzt, wir befinden uns im Hauptteil, werden dem Ritter der Gerechtigkeit schwere Prüfungen auferlegt, Geld, Ruhm und alle Freunde samt Kanzlei genommen, was ihn keineswegs davon abhält, sich immer weiter zu verstricken.

Der klassische Hollywoodheld ist Protagonist des beliebten maskulinen Mythos vom lonely wolf, der sein Glück nur durch Aufkündigung sämtlicher Bindungen, also vollständig allein, im Spannungsfeld zwischen Autarkie und Autismus findet. Dies treibt ihn zwar an den Rand des Ruins - Travolta ist total pleite und muß sogar seinen Porsche verkaufen -, hat aber den Vorteil, daß er im Anschluß sozusagen neu geboren werden kann.

Als Belohnung für die Läuterung bzw. Affirmation des Mythos findet er den heiligen Gral, sprich das fehlende Indiz für die Schuld des Konzerns. Beglückt-beschwert, klüger eben, kehrt er mit dem Wissen um die Spielregeln der eigenen wie der fremden Welt in die Heimat zurück und eröffnet ein kleines Büro für die Anliegen armer Leute. "Return with elixir", wird das im Handbuch für Drehbuchschreiber genannt. Damit hat Travolta die Welt mal wieder ein bißchen gerettet, nicht aber den Film, der noch kitschiger endet, als er begonnen hat.

"Zivilprozeß". USA 1999. R: Steven Zaillian D: John Travolta, Robert Duvall, William H. Macy, Kathleen Quinlan. Start: 22. April