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Der 1. Mai kommt. Und mit ihm Nazis nach Bremen und Prag

Verbieten oder demonstrieren lassen: Bis zum Redaktionsschluß blieb offen, wie der Bremer Innensenat mit dem Aufmarsch der NPD am 1. Mai im Stadtteil Tenever und den angekündigten antifaschistischen Gegendemonstrationen umgehen will. Klar ist allerdings, daß rund 5 000 Polizeibeamte und der Bundesgrenzschutz das seit Wochen von der Bremer Lokalpresse phantasierte Szenario von "blutigen Straßenschlachten, brennenden Barrikaden und fliegenden Pflastersteinen" (Bild Bremen) und "Klein-Belfast in Bremen" (Weser-Kurier) verhindern sollen.

Doch offenbar rechnet auch der oberste Dienstherr der Polizei in der Hansestadt, Innensenator Ralf Borttscheller (CDU), nicht ernsthaft damit, daß seine martialischen Drohgebärden die antifaschistischen DemonstrantInnen sonderlich beeindrucken. Deshalb kümmert sich Bortscheller mit großer Liebe zum Detail auch noch persönlich um die Lazarette. In einem zweiseitigen Schreiben des Innensenators wurden die Bremer Krankenhäuser angewiesen, den Vorrat an Blutkonserven aufzustocken und Vorkehrungen zu treffen, um verletzte Nazis, PolizistInnen und antifaschistische GegendemonstrantInnen auch auf dem Krankenbett zu trennen.

Bis es soweit ist, wird weiter mobilisiert. Unbeeindruckt von den offiziellen Erklärungen aller Bremer Parteien gegen den Aufmarsch, mobilisiert die NPD per Internet und über die Strukturen der Freien Kameradschaften, ihrer Jugendorganisation JN und die der Gesamtpartei in die Hansestadt.

Unter dem Dreifach-Motto "Arbeit zuerst für Deutsche - Kein deutsches Blut für fremde Interessen - Schluß mit der Nato-Intervention auf dem Balkan" will die Neonazi-Partei 5 000 Mitglieder und SympathisantInnen vor den Werkstoren von DaimlerChrysler im Bremer Stadtteil Tenever aufmarschieren lassen. Als mediales Highlight hat der NPD-Anmelder Jörg Wrieden noch das Verbrennen einer US-Fahne angekündigt.

Wie schon in Leipzig im vergangenen Jahr ist auch in Bremen wieder die Führungsspitze von NPD und JN für die Propaganda zuständig: Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt und Sascha Roßmüller sind als Hauptredner vorgesehen. Neben der Hoffnung auf ein breites Medienecho und der Durchsetzung des NPD-Führungsanspruchs in Nazizusammenhängen, verfolgt die NPD aber auch lokalpolitische Ziele. Am 6. Juni finden in Bremen Bürgerschaftswahlen statt.

Bisher zählte der Bremer Verfassungsschutz gerade einmal 60 NPD- und 35 JN-Mitglieder. Die immer offensiver auftretende Naziskinhead-Szene orientiert sich vorwiegend an den Freien Kameradschaften um Christian Worch aus Hamburg, und das Rechtswählerpotential wurde bisher von der DVU abgeschöpft. Das will die NPD offenbar jetzt ändern.

Tatenlos hinnehmen will das in der Hansestadt kaum jemand. Doch die Einigkeit in der Ablehnung des Nazi-Aufmarschs endet, wo es um Strategien zur Verhinderung der Demonstration geht. Einig sind sich fast alle Parteien und Gewerkschaften lediglich, daß der Aufmarsch verboten werden sollte.

Trotz Aufforderungen mehrerer Einzelgewerkschaften und der DaimlerChrysler-Betriebsräte, sich an konkreten Gegenaktivitäten vor Ort zu beteiligen, ruft die DGB-Spitze jedoch weiterhin zu einer zentralen Kundgebung mitsamt eines "Rock gegen Rechts"-Konzertes auf dem Marktplatz in der Innenstadt - und somit weitab vom Geschehen - auf.

Zwar bezeichnete die Bremer DGB-Vorsitzende Helga Ziegert die Ortswahl der DGB-Feier als "Gratwanderung". Doch könne man es nicht verantworten, Bürger und Gewerkschaftsmitglieder in die zu erwartende Konfrontation

mit 5 000 gewaltbereiten Neonazis zu schicken. Diese Fürsorge stößt allerdings bei IG Metall-Ortsverbänden und der ÖTV auf wenig Gegenliebe. So haben u.a. die Betriebsräte von DaimlerChrysler, der Stahlwerke Bremen und des Zentralkrankenhauses Bremen-Ost angekündigt, sich direkt vor den Werkstoren von DaimlerChrysler den Nazis entgegenstellen zu wollen.

Auch das rund 50 Organisationen und 400 Einzelpersonen umfassende Bremer Aktionsbündnis "Kein Naziaufmarsch in Bremen" will der NPD auf deren Aufmarschroute begegnen. "Wir wissen, daß dies kein gemütlicher Spaziergang werden wird", erklärt eine Sprecherin des Aktionsbündnisses, "aber wir sehen keine andere Alternative. Ein ungehinderter Aufmarsch wäre eine Art Triumphmarsch" für die NPD, der die Nazibewegung stärken und ihr auch auf lokaler Ebene einen großen Schub nach vorne verleihen würde." Unter www. nadir.org/nullnazis können sich Antifas im Internet jederzeit auf den neuesten Stand der Gegenmobilisierung bringen. Angemeldet wurde die Gegendemonstration von der Bremer PDS, die für den Fall eines Verbots gerichtliche Schritte angekündigt hat.

Während auch autonome AntifaschistInnen bundesweit nach Bremen mobilisieren, sind AntifaschistInnen in Prag am 1. Mai bisher auf sich alleine gestellt. Dort haben tschechische Neonazis zu einem Aufmarsch mit mindestens 350 Teilnehmern unter dem Motto "Zerschlagt die Roten" aufgerufen.

Mittlerweile haben sich nicht nur Neonazis aus Tschechien, sondern auch aus anderen osteuropäischen Ländern für das Treffen angekündigt. Deutschlands extreme Rechte mag da nicht zurückstehen, insbesondere die Freien Kameradschaften aus dem Osten mobilisieren teilweise ebenfalls nach Prag. AntifaschistInnen vor Ort befürchten, daß vor allem militante Skinheads aus Ungarn und der Slowakei die Gelegenheit nutzen werden, "um die besetzten Häuser und die kleine linke Infrastruktur in Prag anzugreifen".

Jan Brcak, der Anmelder des Naziaufmarsches, verfügt über gute internationale Kontakte. Er ist einer der drei Anführer der böhmischen Blood & Honour-Sektion, die mehr oder weniger eng mit der britischen Neonazi-Organisation Combat 18 verbunden ist. Angemeldet ist der Naziaufmarsch auf der Strelecky-Insel, wo seit 1990 traditionell eine Kundgebung tschechischer AnarchistInnen am 1. Mai stattfindet. Um den Naziaufmarsch zu stoppen, mobilisiert die Antifaschistische Aktion Prag gemeinsam mit der Anarchistischen Föderation zu einer Demonstration auf der Insel.