36. Theatertreffen in Berlin

Rosenverkäufer

Dem 36. Berliner Theatertreffen gehen überraschenderweise keine internen Querelen und externen Kraftmeiereien voraus, sondern man läßt vorab ganz einfach Blumen sprechen, vielleicht weil es am Rote-Nelken-Erster-Mai beginnt. Es zieren jedoch - nur leicht verfremdet - rote Rosen das Plakat und versprechen von 1. bis 24. Mai einen prächtigen Blütenkranz "bemerkenswerter Aufführungen" aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Die fünf Juroren, heißt es, hatten es diesmal leicht, denn die Saison war ziemlich gut. Leicht, so die launige Ankündigung, hätten sie es sich trotzdem nicht gemacht. In 37 Städten sahen sie 200 Darbietungen und luden schließlich zehn davon ein: Drei aus Wien, zwei aus Hamburg, zwei aus Berlin, je eine aus Leipzig, Bonn und Zürich. Bei der Auswahl, so die offizielle Presseerklärung, ließ sich das Juroren-Quintett in erster Linie "von der Nachbrenndauer der Aufführungen" leiten. Die hübsche Formulierung in Ehren, aber die Auswahl wirkt vor allem bodenständig-grundsolide, ohne besondere Höhen und Tiefen und eben auch ohne Dornen, die doch eigentlich zur Rose gehören.

Ausgenommen davon ist allerdings unbedingt die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit Sartres Politparabel "Schmutzige Hände", von Frank Castorf zur ungestümen "Underground"-Filmmusik in den heutigen Balkan gewuchtet, daß es nur so kracht. Die andere Extrem-Inszenierung ist "Gesäubert" von Sarah Kane. Die britische Autorin beging mit 28 Jahren im Februar Selbstmord. Altmeister Peter Zadek machte aus den bizarren Dirty-Doktorspielen in den Hamburger Kammerspielen einen kurzweiligen bunten Abend mit exquisiter Besetzung (Susanne Lothar, Ulrich Mühe).

Der 30jährige Philip Tiedemann ist diesmal der jüngste Regisseur und stellt drei Dramolette von Thomas Bernhard unter dem Titel "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen" aus dem Akademietheater Wien vor. Am Burgtheater inszenierte Achim Freyer "Die Eingeborene" von Franz Xaver Kroetz. Die Kombination aus surrealer Bildsprache (Freyer) mit sozialtrüben Holzschnitten (Kroetz) verspricht lustig zu werden. Den Wiener Reigen ergänzt das Theater in der Josefstadt, wo Regie-Softie Luc Bondy Horv‡ths "Figaro läßt sich scheiden" beschwichtigte.

Vor ihrem Wechsel nach Wien zelebrierte Andrea Breth an der Schaubühne noch Tschechows "Onkel Wanja", und das keineswegs schnell, sondern in dreieinhalb mehr als langen Stunden. Horv‡ths "Geschichten aus dem Wiener Wald" kommen geradewegs aus Hamburg, wo sie Martin Kusej am Thalia Theater realisierte. Matthias Hartmann, bald Intendant in Bochum, hat "Der Kuß des Vergessens" von Botho Strauß mit Otto Sander in Zürich uraufgeführt.

Aus Leipzig wurde Heiner Müllers "Weiberkomödie", interpretiert von Thomas Bischoff, eingeladen; aus Bonn Gerhart Hauptmanns "Rose Bernd" in der Regie von Valentin Jeker. Für ihre Darstellung der Bauernmagd, die aus Not ihr Kind umbringt, wurde Johanna Wokalek - die junge Ilse aus "Aimée und Jaguar - allseits gelobt.

Hauptspielort des Theatertreffens ist das Schiller Theater. Davor ist das obligatorisch Spiegelzelt aufgestellt, in dem Publikumsgespräche mit Regisseuren und Darstellern und die üblichen Diskussionen geführt werden. Dazu Nacht- und Nebenprogramm der ganz unangenehmen Sorte: "Buledden offm Brodweh" vom Schauspiel Leipzig. Für alle, die keine Karten bekommen haben, überträgt 3sat ein paar Highlights. Rosen unter Glas, sozusagen, ohne Geruch, aber in bunt.