Führer verknackt, Aufmarsch verkackt

Die NPD ist empört: Polizei und Justiz haben der Nazipartei den 1.Mai versaut

Ein Gespräch unter Nachbarinnen nahe der Wewelsburg bei Paderborn: "Die sollte man alle in den Kosovo schicken" - "Ja, aber als Bodentruppen." Gemeint war damit eine Busladung von ca. 60 Nazis der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) aus Karlsruhe.

Den Reisenazis war am Vormittag des 1. Mai gelungen, wovon die meisten ihrer Kameraden an diesem Tag nur träumen konnten: Ganze zehn Minuten waren sie Parolen skandierend und Nazilieder grölend durch den Ort Wewelsburg unterhalb der ehemaligen SS-Ordensburg marschiert.

Die Besetzung dreier Streifenwagen, die zuvor vergeblich den Bus zum Anhalten aufgefordert hatte, reichte aus, den Trupp aufzuhalten. Biertrinkend und mit Musikern des Wewelsburger Fanfarenzuges plaudernd, warteten die nationalen Marschierer dann brav auf dem Dorfplatz - bis eine Bochumer Polizeieinheit den Samstagsausflug der Jungglatzen beendete. Jammernd und widerstrebend wurden die Nazis wieder in ihren Bus verfrachtet, um dann gesammelt zur Personalienfeststellung nach Paderborn gebracht zu werden.

Wie der Karlsruher Kameradschaft, die erst wenige Wochen zuvor eine Veranstaltung mit dem ehemaligen RAF-Aktivisten Horst Mahler und dem NPD-Bombenleger Peter Naumann organisierte, erging es am 1. Mai den meisten deutschen Neonazis. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in der Nacht zum 1. Mai das Verbot des NPD-Aufmarsches in Bremen bestätigt hatte, gelangen ihnen nur kleinere Aufmärsche. In Hamburg-Ahrensburg konnten rund 350 Neonazis des Norddeutschen Aktionsbündnisses am Morgen des 1. Mai für etwa zehn Minuten marschieren, bevor auch hier die Polizei das nationale Treiben beendete. Nachmittags kam es dann in Quickborn, Leipzig-Grünau und am Hermannsdenkmal bei Detmold zu weiteren Kurzauftritten von jeweils rund 100 Neonazis.

Das Gericht war der Verbotsbegründung des Bremer Innensenats gefolgt, der Aufmarsch würde in der Hansestadt einen "Polizeinotstand" herbeiführen. Ebenso waren Informationen der Sicherheitsbehörden über von Mitgliedern der Freien Kameradschaften geplante "Greiftrupps" am Rande des NPD-Aufmarsches Anlaß für das Verbot: Offenbar wollte die nicht parteipolitisch organisierte Nazi-Fraktion das

in ihren Augen viel zu langweilige Fahnengeschwenke der NPD durch gezielte Angriffe auf Gegendemonstranten und Polizeibeamte aufpeppen.

Die Nazis scheiterten am Samstag aber nicht allein an der Verbotsentscheidung, die auch für die in Bremerhaven, Hannover und Oldenburg angemeldeten Ersatzveranstaltungen galt, sondern auch an dem bundesweit ähnlichen Vorgehen der Polizeikräfte. In Berlin beispielsweise verhinderten die Ordnungshüter, daß die rund 200 Berliner Neonazis, die sich nachts trotz des Verbots auf den Weg gen Westen machen wollten, in ihre Busse einsteigen konnten, und schickten den "nationalen Widerstand" schlicht wieder nach Hause. Und in Bremen selbst stürmten SEK-Einheiten am frühen Samstagmorgen die NPD-"Einsatzzentrale" im Osten der Stadt und setzten dort neun Mitglieder der NPD-Führungsriege - darunter auch Parteisprecher Klaus Beier - für mehrere Stunden fest. Damit war die gesamte Infrastruktur für den angekündigten "Aufmarsch der 5 000" blockiert und das auf den Bundesautobahnen herumkutschierende Nazivolk ohne Führung und damit orientierungslos.

Manchen Funktionären dürfte das recht gewesen sein. So hatte beispielsweise der von Jürgen Schön geführte NPD-Landesverband Sachsen bereits im Vorfeld seine Teilnahme an dem geplanten Aufmarsch abgesagt. Solche Aktionen seien in Wahlkampfzeiten "kontraproduktiv" und würden bei potentiellen WählerInnen und SympathisantInnen einen schlechten Eindruck hinterlassen. Und den Freien Kameradschaften unter Führung des Hamburger Naziduos Christian Worch und Thomas Wulff ist die am Legalitätsprinzip orientierte Aufmarschstrategie der NPD-Führung ohnehin viel zu kompromißlerisch.

Ganz ohne Demonstration kam das von rund 5 000 Polizisten bewachte Bremen jedoch nicht davon. Zwar wurden bei Vorkontrollen bereits am Freitag Stadtverweise vor allem gegen auswärtige AntifaschistInnen ausgesprochen und 80 von ihnen mehr als 24 Stunden in Gewahrsam genommen, und das Oberverwaltungsgericht Bremen hatte auch zwei geplante Bündnisdemonstrationen gegen den Naziaufmarsch verboten. In mehreren Orten hatten zudem Polizeieinheiten versucht, AntifaschistInnen an der Fahrt nach Bremen zu hindern. So wurden in Leipzig die Busse des Leipziger Bündnisses gegen Rechts beschlagnahmt und aus Hamburg anreisende AntifaschistInnen wurden mit Polizeihubschraubern verfolgt und vom Bundesgrenzschutz aufgehalten. Eine von rund 3 500 AntifaschistInnen besuchte Spontandemonstration von Bremen-Seewaldsbrück zum Stadtteil Osterholz wurde am Vormittag des 1. Mai von der Polizei aber dennoch geduldet.

Die NPD bezeichnete das als "schweren Rückschlag" für die Demokratie und als "Skandal". Trotzdem wollen es die Nazis erneut versuchen: Vor den Bremer Bürgerschaftswahlen am 6. Juni soll auf jeden Fall ein weiterer Aufmarschversuch unternommen werden. Und für Sonnabend ruft die Partei zum Besuch einer Kundgebung "gegen den Nato-Krieg", "gegen Weltherrschaft der USA" und "für das Selbstbestimmungsrecht der Nationen" am Brandenburger Tor in Berlin auf. Neben dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt soll dort auch Mahler sprechen. "Wegen des überparteilichen Charakters" der um 15 Uhr beginnenden Kundgebung will man aber auf Parteienwerbung verzichten.