Mafiakomödie mit Robert DeNiro: "Reine Nervensache"

Psycho-Pate

Die Erwartungen waren nicht besonders hoch: Ein Regisseur, der sich in Hollywood mit Meisterwerken wie "Babyspeck und Fleischklößchen" und "Ich glaub, mich knutscht ein Elch!" einen Namen gemacht hat. Dazu die Story: Ein gealterter Mafia-Pate, der sich, von Angst- und Panikattacken geplagt, auf die Psychocouch legt. Das kann eigentlich nicht gut gehen, oder? Geht es aber: "Reine Nervensache" ist eine nette Komödie mit viel Selbstironie und ein Abgesang auf die lange Tradition klassischer Mafiafilme.

Wer dachte, daß die gesellschaftliche Modernisierung an der New Yorker Mafia spurlos vorüberzieht, sieht sich getäuscht: "Meint ihr, wir brauchen bald eine eigene Website?" fragen sich die Männer mit dem gegelten Haar und den getönten Sonnenbrillen. Sie haben ein Imageproblem. Doch nicht nur das: Die Autorität von Paul Vitti (Robert De Niro) bröckelt. Denn während um ihn herum immer härter zugeschlagen wird, zeigt der "capo dei capi" selbst dann noch Skrupel, wenn es gilt, einem besonders fiesen Verräter die Rohrstange um die Ohren zu hauen. Und weil ihm seine Sanftheit peinlich ist und Vitti befürchtet, daß seine Jungs ihn für einen Softie halten, leidet er an der Welt im allgemeinen und an sich selbst im besonderen.

Da trifft es sich gut, daß er einen Psychiater kennenlernt. Bei einem Autounfall lernt er Dr. Ben Sobol (Billy Crystal) kennen, der ihm aus der Klemme helfen soll. Und zwar ratzfatz. Es hilft nichts, daß Ben eigentlich gerade im Begriff ist, die TV-Blondine Laura (Lisa Kudrow) zu heiraten. Die Behandlung des Mafia-Paten geht vor, auch wenn sie zunächst etwas schleppend anläuft: "Ödipus? Was soll das denn? Und kommen Sie mir nicht schon wieder mit Schweinereien über meine Mutter!" Dabei drängt die Zeit, denn bis zur großen "Mafia-Convention" in nur zwei Wochen muß Paul "geheilt" sein.

Daß die Zeit der knallharten Mafiosi abgelaufen ist, war eigentlich schon vor "Casino" (1995) und "Sleepers" (1996) klar, die kaum mehr als Zitate einer glorreichen Filmtradition boten. Insofern war ein Film wie "Reine Nervensache" längst überfällig. Und wem könnte es besser gelingen, das Image der Kinomafiosi zu brechen als Robert De Niro? Das schiefe Grinsen in dem Gesicht mit dem Leberfleck auf der rechten Wange: Ungezählte Male war es in "Good Fellas" oder der "Paten"-Trilogie zu sehen.

Jetzt schreitet De Niro in "Reine Nervensache" freudig zur Selbstdemontage. Damit geht das Mafiagenre einen anderen Weg als das ebenfalls angeschlagene Westerngenre. Hier mußte zum Abschluß in "Erbarmungslos" (1992) der gealterte Held noch einmal Staub schlucken, zu lachen gab's auch nichts.

"Reine Nervensache" ist nach "Wag the Dog" bereits der zweite Ausflug von De Niro ins Komödienfach. Während ihm der Sprung ins komische Fach gelungen ist, erlebte Lisa Kudrow eine ziemliche Bruchlandung: Als angeschrägte Blondine aus der Fernsehserie "Friends" sollte sie lieber wieder zur kleinen Kiste zurückkehren, als es auf der großen Leinwand zu versuchen. "Reine Nervensache" macht Spaß, wenn man genügend Distanz zur Psychotherapie mitbringt. Kalauer über die Psycho-Docs erreichen selten eine höhere Güteklasse als Paul Vittis Abschlußfazit: "Seitdem ich von Freud weiß, habe ich Angst, meine Mutter auch nur anzurufen."

"Reine Nervensache". USA 1999. R: Harold Ramis, B: Peter Tolan/Harold Ramis, D: Robert De Niro, Billy Crystal, Lisa Kudrow. Start: 20. Mai