Verlängerung!

Über das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas wird zwar nicht erst seit gestern diskutiert, dennoch reißt die Liste derjenigen nicht ab, die feststellen, daß sie bisher noch keine Gelegenheit hatten, sich zu äußern. In der vergangenen Woche kamen die Ministerpräsidenten aus dem Knick. Das geht ja alles viel zu schnell! erhob sich eine Stimme aus dem Tal der Ahnungslosen. Der sächsische Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) forderte originellerweise, bloß nichts zu überstürzen, denn die "Sache" sei "noch nicht entscheidungsreif" und könne "ruhig noch fünf Jahre dauern". Hastig verbreitete er seinen Beitrag zur Mahnmal-Debatte in diversen Zeitungen, u.a. in der Welt.

"Das Memorial", wie Biedenkopf das Mahnmal nannte, "ist nicht nur eine Sache des Bundestages, sondern auch des Bundesrates. Wir können doch in einer der zentralen geistig-kulturellen Auseinandersetzungen plötzlich nicht so tun, als seien wir ein Zentralstaat." So frisch das Vokabular, so ranzig der Vorschlag: Biedenkopf plädierte für den preiswerten Entwurf des ostdeutschen Theologen und SPD-Mitglieds, Richard Schröder, einen schlichten Gedenkstein mit der Aufschrift "Nicht morden!" zu errichten. Allerdings hatte Biedenkopf noch einen Änderungswunsch. (Man sieht, der Ministerpräsident kennt die Gepflogenheiten der Debatte: Unterstütze lautstark den aktuell favorisierten Entwurf, unterbreite zugleich Pläne für kleinere Anbauten und verkaufe dies unter eigenem Namen als neue Kombilösung). Die Schröder-Biedenkopf-Lösung sieht neben dem Schriftzug die Namen der Konzentrationslager vor.

Während Berlins Regierender Bürgermeister, Eberhard Diepgen (CDU), und Thüringens Ministerpräsident, Bernhard Vogel (CDU), Biedenkopfs Forderung nach einer erneuten Diskussion, diesmal auf Länderebene, zustimmten, widersprach die Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses, Elke Leonhard (SPD), und erinnerte daran, daß "alle Argumente ausgetauscht sind".