Deutsche Demographen

Selbst Helmut Kohl konnte auf dem Burschentag in Eisenach den Rechtsruck der Deutschen Burschenschaft nicht stoppen

"Provozieren Sie nicht! Ein einziger Ausrutscher kann die gesamte Deutsche Burschenschaft in Verruf bringen!" Mit dieser Warnung eröffnete der Verhandlungsleiter vergangene Woche den diesjährigen Deutschen Burschentag in Eisenach.

Die Deutsche Burschenschaft, der Dachverband von knapp über 100 Studentenverbindungen aus der gesamten Bundesrepublik, wird zunehmend wegen rechtsextremer Aktivitäten ihrer Mitglieder kritisiert. Ziel der Veranstalterin des Burschentags, der Frankfurt-Leipziger Burschenschaft Arminia zu Frankfurt, war es offensichtlich, ihren Dachverband aus der Kritik zu ziehen.

Vor allem das Rahmenprogramm war zu diesem Zweck mit Bedacht gestaltet worden. In den vergangenen beiden Jahren hatten der Bonner Anti-Antifa-Professor Hans-Helmuth Knütter und Horst Übelacker, Vorsitzender des revanchistischen Witiko-Bundes, die Reden beim Festakt auf der Wartburg gehalten. Beide waren nicht gerade geeignet, den Vorwurf rechtsextremer Gesinnung in der Deutschen Burschenschaft zu widerlegen.

Doch in diesem Jahr war es der Veranstalterin gelungen, als Festredner mal keinen bekennenden Rechtsextremen zu gewinnen: So sprach eben Helmut Kohl und versuchte, den Burschenschaftern das Image demokratischer Wohlanständigkeit zu verleihen. Aber selbst das klappte nicht.

Die Mehrheit der anwesenden Käppi-Träger war weder mit dem Redner noch mit dem Ort der Festrede zufrieden. Denn wegen "Sicherheitsbedenken" - an einer Protestdemonstration während des Burschentages beteiligten sich gut 300 Antifas - konnte der Festakt nicht wie geplant auf der Wartburg stattfinden. Der ehemalige Bundeskanzler mußte schließlich in einer Turnhalle sprechen.

Und was er sprach, kam nicht gut an: Kohls Vorschlag, die bestehenden deutschen Grenzen anzuerkennen, wurde mit fassungslosem Kopfschütteln bedacht. Als der Ex-Kanzler von der Notwendigkeit einer Politik mit friedlichen Mitteln sprach, fiel ein eingeschlafener Burschenschafter vom Stuhl. Ein anderer hatte überhaupt kein Interesse an der Veranstaltung und torkelte, Soldatenlieder grölend, durchs Foyer.

Selbst der Thüringischen Landeszeitung fiel auf, daß die Rede "wohl nicht alle Burschenschafter begeisterte"; zahlreiche von ihnen gaben nicht mal Höflichkeitsapplaus. Ein Burschenschafter kommentierte die Veranstaltung gar, indem er einer Polizistin stolz einen Aufkleber der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten unter die Nase hielt.

Schon vorher hatten die Verhandlungen des Burschentages deutlich gemacht, wie es um die politischen Verhältnisse in der Deutschen Burschenschaft bestellt ist. Die Auseinandersetzung zwischen dem konservativen und dem rechtsextremen Flügel wird immer deutlicher zugunsten des rechtsextremen Flügels entschieden.

Bei den Wahlen von Ausschußmitgliedern konnten rechtsextreme Verbindungen wie die Burschenschaft Danubia München oder die Burschenschaft Olympia Wien fast ausnahmslos ihre Kandidaten mit großer Mehrheit gegen Kandidaten konservativer Verbindungen durchsetzen. Inhaltliche Anträge wurden durchweg im Sinn der Burschenschaften in und um die Burschenschaftliche Gemeinschaft, den Zusammenschluß des rechten Flügels der Deutschen Burschenschaft, entschieden.

Einige Beschlüsse konnten allerdings nahezu einstimmig angenommen werden. So fordert die Deutsche Burschenschaft gemeinsam die Bundesregierung auf, sich für eine Aufhebung der Benes-Dekrete in Tschechien einzusetzen. Sie lehnt jede Form der doppelten Staatsbürgerschaft ebenso wie die Umbenennung von Kasernen kategorisch ab und setzt sich für eine Überprüfung des Volksverhetzungs-Paragraphen im Strafgesetzbuch ein. Der Paragraph - Rechtsgrundlage für die Verurteilung von Leugnern der Shoah - behindere schließlich die wissenschaftliche Forschung.

Wie die politischen Forderungen der Deutschen Burschenschaft aber erst lauten werden, wenn sich ihr rechtsextremer Flügel vollständig durchgesetzt hat, das ließ die Diskussion über eine Tagung im Januar des kommenden Jahres erahnen. Dann wollen sich die Mitglieder eines Ausschusses der Deutschen Burschenschaft treffen und gemeinsam über die "doppelte Staatsbürgerschaft und den demographischen Wandel in Deutschland" diskutieren.

Ein Mitglied der Burschenschaft Markomannia Wien zu Passau begründete die Notwendigkeit, über dieses Thema zu diskutieren: Das "deutsche Volk" sei "mittel- und langfristig vom Aussterben bedroht". Er rechnete vor, daß die "deutsche Stammbevölkerung" im Jahr 2100 auf 22 Millionen gesunken und zu einer "Minderheit im eigenen Land" geworden sein werde. Niemand widersprach.

Doch trotz der vermeintlichen Marginalisierung der Deutschen ist für die Deutsche Burschenschaft noch nicht alle Hoffnung verloren. Schließlich ist da noch die Einheit Deutschlands, die "mit Sicherheit noch nicht vollendet" sei, wie Marc Natusch von der Burschenschaft Rheinfranken Marburg optimistisch erklärte.

Zum erwünschten Ziel könne jedoch nur "Pionierarbeit", nicht aber "Lobbyismus" führen. Die Deutsche Burschenschaft müsse sich also über ihre wesentliche politische Strategie klar werden und diese konsequent vertreten. Daß dabei in Zukunft verstärkt rechtsextreme Positionen gepusht werden sollen, läßt auch der Anti-PC-Aufkleber der Jungen Freiheit vermuten, den zahlreiche Burschenschaften des rechtsextremen Flügels auf ihren Tagungsutensilien angebracht hatten.

Man kann dies aber auch aus den Umtrieben von Natuschs Burschenschaft, den Rheinfranken Marburg, schließen. Der Verbindung, die nächstes Jahr den Vorsitz der Deutschen Burschenschaft übernehmen wird, gehören mehrere Mitglieder der Republikaner und des Bundes Freier Bürger an. Ein Rheinfranke demonstriert gelegentlich mit dem Transparent der neonazistischen Kameradschaft Northeim. Auch war die Burschenschaft maßgeblich an der Wiederbelebung des Republikanischen Hochschulverbands beteiligt. Rücksichten auf rechts-konservative Standards scheinen kaum noch eine Rolle zu spielen.