Beutelkunst

Über die in Deutschland so heftig vermißten Kunstschätze muß jetzt in Rußland wieder gestritten werden, und zwar auf allerhöchster Ebene: Das Verfassungsgericht behandelt zwei Anfragen Boris Jelzins, mit denen er einen Gesetzentwurf anfechten will, wonach alle im Zuge des Zweiten Weltkriegs von Deutschland verbrachten Kulturgüter zum Eigentum Rußlands erklärt werden. Jelzin, der gegenüber Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl versichert hatte, alles zu tun, damit Deutschland die "Beutekunst" zurückerhält, hatte das Gesetz 1998 gegen seinen Willen in Kraft setzten müssen.

Der Kreml hat vergangene Woche noch einmal vor einer Belastung des deutsch-russischen Verhältnisses durch den umstrittenen Entwurf gewarnt. "Das Gesetz birgt die Gefahr einer Isolation Rußlands in der internationalen Zusammenarbeit", sagte Michail Mitjukow, Vertreter des Präsidenten Boris Jelzin, im Verfassungsgericht. Soll heißen: Mit nichts im Beutel außer Beutekunst, ist man international schlecht beraten. Das sieht auch Jewgeni Ussenko, Vertreter der Duma und des Föderationsrats, ein, zieht aber die umgekehrte Schlußfolgerung daraus und plädiert dafür, hart gegenüber den deutschen Forderungen nach Rückgabe der Kunstobjekte zu bleiben: "Der Westen respektiert nur die Starken", sagte er, "solange es die Sowjetunion gab, hat niemand von Rückgabe gesprochen. Aber dem geschwächten Rußland kann man alles entreißen." Das Restitutionsgesetz stützt sich auf Akten aus der Nachkriegszeit, in denen die Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg festgeschrieben wird.