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Die Provinz stellt sich der Metropolen-Schnösel schrecklich vor. Dort, denkt er, schrecklich vor. Dort, denkt er, laufen nur schlecht angezogene Leute rum, mit Pilotenbrillen auf der Nase, die vielleicht vor zwanzig Jahren mal modisch wirkten. Überall lauern Hinterwäldler und fiese Büttel der Staatsgewalt, die nur darauf warten, ihren Haß auf den stilsicheren Hauptstädter auszuleben. Und vermutlich haben dort auch alle ätzenden Mundgeruch.

Je weiter man sich von der Hauptstadt fortbewegt, desto schlimmer geht es zu. Zum Beispiel in Köln am Rhein. Das muß die Hauptstadt der Narren und Deppen sein. Denn wie anders wäre es zu erklären, daß sich dort regelmäßig sogenannte Jecken treffen - also Menschen, die sich freiwillig alberne Kostüme überziehen, sich als Funkenmariechen oder Marienkäfer verkleiden - und das auch noch lustig finden.

In der restlichen Zeit, vor und nach den "tollen Tagen", laufen sie dann ihrem Bischof hinterher, der ständig an der Spitze irgendwelcher kultischer Prozessionen durch die Altstadt zieht und alles mit Weihrauch zunebeln läßt. Ja, so muß das sein, dort drüben, jenseits der zivilisierten Welt, auf dem Boulevard Bio.

Aber wie oft muß man sich bittere Irrtümer eingestehen, oder, noch schlimmer, wird man krasser Vorurteile überführt. Denn irgendwann schlägt für jeden die Stunde, in der er die Provinz besuchen muß. Dort glücklich angekommen, stellt man schockiert fest, daß alles ganz anders ist, als man immer dachte. Von üblen Gerüchen keine Spur, denn die Kölner spülen, bevor sie reden, den Mund mit einem echten Kölnisch-Wasser aus. Die Sonnenbrillen sind auf dem neuesten Stand und werden bevorzugt von modisch frisierten Polizeibeamten über dem Nasenring getragen. Die Jecken sind vor dem EU-Gipfel alle weggesperrt worden, und selbst die Pfaffen sind gut drauf: Der Bischof legt täglich am Dom eine neue Platte auf.

Da bleibt einem als verbittertem Hauptstadt-Lackel nur eins: die Waffen strecken, die Kapitale den Jecken überlassen und die "Hauptstadt" in "Domstadt" ("Dom", sächsisch für "Tauben") umbenennen. Doch die Resignation wird vermutlich nur solange vorhalten, bis einer mal das Fenster aufreißt und den penetranten Kölnisch-Wasser-Gestank vertreibt. Spätestens nächste Woche werden wir zur gewohnten Arroganz zurückgefunden haben.