Antifa heißt Jumpen

Soli, Schoki, Party

Welcher aufrichtige Antifa und welche eifrige Antifain kennt sie nicht: diese herrlichen Samstage. In aller Frühe aus speckigen Schlafsäcken krabbeln, sich zu fünft in ein verqualmtes Auto quetschen, in irgendein Provinznest fahren, weil dort ein Nazi-Aufmarsch sein soll, dann aber weit vor der Stadt an einer Polizei-Absperrung versauern, bis der Aufmarsch genauso vorbei ist wie drei Busse voller Nasen, denen man statt Steinen nur wütende Blicke hinterherschleudern kann.

Dann bei der Rückfahrt aus Frust an die nächste Tanke, Six-Pack gekauft, Schoki gezockt und ab nach Hause - zur Antifa-Soli-Party. In dunklen Kellerräumen sehen und gesehen werden - natürlich mit Sonnenbrille.

Und quatschen über die letzte Demo und die nächste, reden über das letzte Treffen und die Pfeifen vom Antifa-Plenum Sowieso, tratschen über den neuen Freund von der, die doch eigentlich bei der anderen Fraktion ist, und die Immernoch-Freundin von dem, der gerade das Vordiplom gemacht hat. Und tanzen.

Man kennt das: Die einen fahren ein, die anderen nicht; die einen tanzen, die anderen nicht. Wer nicht zappelt, steht cool rum. Ungefähr so wie am Rande einer Demo, auf der mehr Leute aufpassen wollen, daß keine Nazis stören, als selber demonstrieren: die Arme eisern verschränkt, so daß man - wenn es heller wäre - die Buckel-Bizepse bewundern könnte; die Beine so breit auseinander, daß zwei Kästen Bier zwischen die Vans paßten; den Kopf abschätzend drehend, daß immer die hübschesten Tänzerinnen und Tänzer im Blick sind.

Und die bemühen sich redlich, obwohl der DJ und die DJane derart gelangweilt hinter ihrem Mischpult lungern, als lauschten sie gerade der Einführungsvorlesung in Anatomie, immer wieder ein neues Stück "Neunziger-Jahre-Cross-Over-Kacke" (Phil) ein- oder auflegend. Mit derart gelungenen Übergängen, daß alle auf der Tanzfläche überlegen, ob sie nun gehen, bleiben oder sich wie Hippies einen Moment hinhocken sollen.

Natürlich tut das der Stimmung keinen Abbruch, denn das nächste Gebrüll kommt bestimmt: aus den Lautsprechern wie aus dem Lauti. Na klar, das ganze anachronistische und unrhythmische Rumspringen, die Jungs immer am höchsten, auf der Party ist die Generalprobe für die nächste Demo: hüpf, hüpf, renn.

Wenn die Mucke wechselt, kommt NDW, bei der die meisten von ihrem ersten Kuß nach der Schuldisko träumen könnten, würden nicht plötzlich die "Rivers of Babylon" so laut durch die Boxen dröhnen, daß ein paar Leute - zwanghaft gut gelaunt wie ihre Eltern damals - durch den Saal fegen.

Da das alles überhaupt nicht groovt und mit Tanzen - den rhythmisch-erotischen, sportlich-körperbetonten Bewegungen - so viel zu tun hat wie Schach mit Sport, ist es kein Wunder, daß auch am nächsten Sonnabend mehr Leute zur Party als zur Demo gehen. Von wegen Rave 'n' Riot.