Montenegro vor der Abspaltung?

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Der Schrumpfungsprozeß Jugoslawiens geht in seine nächste Runde. Nachdem das Kosovo nur noch symbolisch zum jugoslawischen Staatsverband gehört, nützt nun auch die jugoslawische Teilrepublik Montenegro ihre Chance, das Belgrader Regime loszuwerden. Am Freitag deutete der montenegrinische Premierminister Filip Vujanovic an, es könnte in Montenegro bald ein "Referendum über die Unabhängigkeit des Landes" geben. Die Zustimmung der montenegrinischen Bevölkerung zu einem solchen Schritt würde von Tag zu Tag wachsen, so Vujanovic.

Das ist nicht der einzige Grund: Auf dem Kölner Gipfel wurde klargestellt, daß es Wiederaufbauhilfe für das zerbombte Serbien nur gibt, wenn Milosevic gestürzt wird. Da kann demonstrative Distanz zum jugoslawischen Präsidenten nicht schaden.

Bevor man aber die endgültige Sezession wagt, möchte man den gemeinsamen Staat mit der Belgrader Zentrale neu verhandeln. Montenegros Präsident Milo Djukanovic etwa würde eine lose Konföderation mit Serbien begrüßen. "In Belgrad muß eine Wendung zur Demokratie stattfinden. Dann können wir auch diese Krise überwinden. Wenn aber Serbien weiter an seiner Politik festhält, kann Montenegro seine nationalen Interessen nicht wahrnehmen. Derzeit versucht Milosevic, unsere Republik zu destabilisieren", so der zaudernde Separatist.

Die ursprüngliche Idee für eine neue politische Tarifrunde über den Zusammenhalt Jugoslawiens hatten montenegrinische Gelehrte. In der vergangenen Woche veröffentlichten 22 Professoren montenegrinischer Universitäten ein Memorandum, in dem eine neue Basis des Zusammenschlusses zwischen Serbien und Montenegro gefordert wurde. "Eine neue Vereinbarung könnte die institutionellen Mechanismen und gesetzlichen Rahmenbedingungen etablieren, die die Souveränität und Gleichberechtigung Montenegros und Serbiens sicherstellen", heißt es in dem Papier.

Die föderalen Züchtigungsgebärden aus Podgorica gegenüber Belgrad werden auch von einer montenegrinischen PR-Offensive gegenüber Europa und den USA begleitet. Am Wochenende traf der US-Sondergesandte für den Balkan, Robert Gelbard, zu einem geheimen Besuch in Podgorica ein. Dort unterhielt er sich zuerst mit Präsident Djukanovic, um dann mit der serbischen Opposition zu sprechen. Gelbard sicherte Montenegro seine Unterstützung zu, Zoran Djindjic wiederum möchte von Podgorica aus ein oppositionelles Satellitenfernsehen starten und seine Bemühungen mit der montenegrinischen Regierung abstimmen.

Auch der EU-Vermittler für das Kosovo, Wolfgang Petritsch, wurde kürzlich in Podgorica von Präsident Djukanovic empfangen und sicherte zu, die EU werde Montenegro im Stabilitätspakt nicht vergessen.

Am Montag schließlich traf Djukanovic in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana mit dem auf Europa-Reise befindlichen US-Präsidenten William Clinton zusammen, um sich auch der Unterstützung der USA zu versichern. Die Nato hatte sich schon unmittelbar nach dem Ende des Kosovo-Krieges für Montenegro ins Zeug gelegt und serbischen Truppen verboten, auf ihrem Weg nach Serbien montenegrinisches Gebiet zu durchqueren.

Auch im eigenen Land kann sich Djukanovic auf Unterstützung verlassen. Erst kürzlich wurde quer durch die politischen Parteien eine Plattform gebildet, die alleine die Unabhängigkeit Montenegros zum Ziel hat. Doch es könnte sein, daß die Separatisten dem Präsidenten einen Schritt voraus sein möchten: Schon Ende Mai erklärte der Vorsitzende der Plattform, Miodrag Vlahovic, wenn die Regierung Montenegro nicht vor den serbischen Truppen schützen könne, werde man das eben selbst in die Hand nehmen.

Noch aber ist es zu früh für eine Sezession, wie Djukanovic weiß. Ein Referendum könne auf keinen Fall stattfinden, solange offiziell der Kriegszustand in Jugoslawien gelte. Schon vor sieben Jahren, als sich andere jugoslawischen Teilrepubliken absetzten, scheiterte ein Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro: Damals stimmte die Mehrheit der Bevölkerung für einen Verbleib bei Jugoslawien.