Brasil-Pop

Portugiesisch gehaucht

Der Weg von Brasil-Pop führte über House-Musik von den Tanzflächen in die Lounges, von dort als augenfälliger Einfluß auf einschlägige Compilations, Mix-CDs und Remixe, dann über den Fachhandel ins Bewußtsein von hippen Plattensammlern, die sich wiederum meist als DJs verstehen, und sich regelmäßig frühmorgens und ausgerechnet wochenends aus dem Bett puhlen, um einschlägige Flohmärkte nach Fundstücken abzugrasen, und nicht gewillt sind, ohne Trophäen wieder heimzukehren - ungefähr so wurde Afrofunk wiederentdeckt, und so geriet auch Brasilpop erneut ins Blickfeld.

Beide Spielarten bedienen das bekannte Bedürfnis nach toller Exotik, bei Afrofunk ist es eher politisch codiert (Fun, Funk und Freiheitskampf), bei Brasilpop ist es eher der schlichte Wunsch nach Urlaub. Man denkt an endlose Strände in flirrender Hitze, an Astrud Gilberto und die anderen, an Zitronenpressen, Sonnencreme, eine gute Tasse Bohnenkaffee, schokobraune Haut und zwei Garnituren Bettwäsche. Man kann gar nicht anders.

Brasilpop ist wie ein Whiskey-Cola, ein Rum-Cola, ein Caipiri-ha mit Rum-Cola und anschließender Cola auf Eis; oder ein randvolles Glas teuflischer Frühlingsbowle oder ein kräftiger Schluck von besonders tödlicher Feuerzangenbowle mit Cola zusammen oder einzeln; oder wie Cola pur gespritzt oder getrunken mit Korn und Whiskey und anschließend ein Glas Rotwein-Cola oder zwei Gläser Korn, bloß kein Bier, denn Bier ist was für Anfänger.

Brasilpop ist etwas für Fortgeschrittene, die danach leicht betäubt und doch sorglos durch die schwüle Nacht schlendern, um den Morgen mit einer kühlen Brise in leinenweißen Kleidern auf einer lichtdurchfluteten Veranda in Küstennähe in Empfang zu nehmen: "S‹o Paulo Confessions".

Eine Künstlerin oder ein Künstler namens Suba hat ein Album unter diesem Titel aufgenommen; worum es dabei geht, weiß man nicht. Bekenntnishaftes andeutend, haucht eine weibliche Stimme Portugiesisches. Dafür ist die Musik mit identifizierbaren Zutaten gespickt. Eine Ahnung von House, ziemlich viel TripHop, hier und da dekoratives Brummen, Schaben und Kratzen. Ein Mann im Anzug huscht auf dem Cover im Zwielicht über eine Straße, eine flüchtige film noir-Impression, hübsch und seltsam, traditionell und modern. Die Konfrontation findet statt, man merkt sie nur nicht. Dies ist eine kulturelle Konspiration, die das Alte elektronisch unterwandert, übernimmt und erobert. Ahnungslos säuselt Celia Vaz auf "Ebb And Flow" herkömmlich schwindsüchtiges Liedgut in die Abenddämmerung, während die Computer längst einen festen Platz in der lateinamerikanischen Kaffeehausmusikkapelle eingenommen haben. Rätselhaft.

Sehr viel konkreter sind da schon die Unterschichtskinder auf dem Cover von "Mundial Muzique". In Shorts und Unterwäsche spielen sie vor der Kulisse pittoresk desolater Wohnhausfassaden nach Landessitte Fußball. So haben sich schon Weltmeister nach oben gearbeitet, und die Compilation ist denn auch uplifting.

Suba: "S‹o Paulo Confessions", Ziriguiboom/Efa

V.A.: "Mundial Muzique", Guidance/Efa

Celia Vaz & Ape: "Ebb And Flow", Far Out Recordings/Groove Attack