Polens Wandel zum Nato-Musterland

Schneller Wechsel

Wie "in einem Traum" fühlte sich Polens Außenminister Bronislaw Geremek am 12. März in Harry Trumans Heimatort Independence, als er dort mit seinen Amtskollegen aus Tschechien und Ungarn endlich die Nato-Beitrittserklärung hinterlegen konnte. In Warschau hißte an jenem Tag Präsident Aleksander Kwasniewski am Grab des unbekannten Soldaten die Nato-Flagge. Eine Feierstunde mit Feuerwerk und Militärparade, die der Vorsitzende der Solidarnos«c«, Marian Krzaklewski, "wie Weihnachten" empfand. "Ich habe leider keine einzige Nato-Fahne mehr. Etwa hundert habe ich die letzte Woche verkauft, vor allem an Behörden und Armeeinrichtungen", freute sich ein Mitarbeiter der Flaggennäherei Expolite.

Inzwischen hat der Alltag die Polen wieder. Und der heißt lernen, lernen und nochmals lernen. Wie erst vor einigen Tagen bei einem Stabsmanöver mit 300 deutschen, dänischen und nun eben auch polnischen Soldaten in Szczecin. Das Szenario erinnerte an den Balkan: A-Land gerät in Konflikt mit B-Land. Die Ursache: Ethnische Streitigkeiten und territoriale Ansprüche. Soldaten schafften Ordnung.

Eine Premiere ist dieses Manöver längst nicht mehr. Die erste Blauhelm-Übung deutscher, dänischer und polnischer Fallschirmjäger lief in Polen bereits 1994. Seit Jahren arbeiteten vor allem Deutsche, Dänen und Franzosen an der militärischen Integration des Landes. Bisheriger Höhepunkt ist die Bildung des trinationalen Korps Nordost mit Sitz in Szczecin. Dorthin wird jetzt der Stab des einst deutsch-dänischen Nato-Korps Landjut aus Rendsburg ziehen. Erweitert um knapp 100 polnische Offiziere und Soldaten wird dieser Stab die 12. Polnische Mechanisierte Division, die 14. Panzergrenadier-Division aus Neubrandenburg und eine dänische Heeresdivision führen. Eine 30 000-Mann-Streitmacht, die mit Rücksicht auf Rußland nicht Teil der integrierten Nato-Kommandostruktur sein soll. Mit zur Nato-Struktur gehören bereits zwei Fallschirmjäger-Einheiten, ein Militärkrankenhaus sowie neun MiG-29-Jäger. Marine-Einheiten sollen folgen.

Polnische Militärs sind nicht zimperlich, wenn es um den Nachbarn im Osten geht. Energisch verteidigten sie die atomare Erstschlagsoption der Nato, als die vom neuen deutschen Außenminister Joseph Fischer für unzeitgemäß erklärt wurde. Auch wenn ohne Pause aus Moskau gewarnt wird, arbeitet die Regierung zielstrebig daran, die Allianz weiter nach Osten vorrücken zu lassen. So sollen bereits erste Schritte für eine gemeinsame Militäreinheit mit Litauen aufgenommen worden sein. Auch Polen will nur noch "von Freunden umgeben" sein.

Dieses Engagement läßt sich Warschau was kosten. Der Nato-Neuling erklärte sich schon im März bereit, 120 Fallschirmjäger ins Kosovo zu entsenden. Für den Kfor-Einsatz wurden im Juni gar 800 Soldaten abmarschbereit gemeldet. Die Kosten der Eingliederung in die Nato wurden anfangs auf 2,6 Milliarden Mark geschätzt. Ursprünglich wollte die Luftwaffe 150 neue Kampfflugzeuge im Westen ordern. Im Juni aber sollten Boeing, Lockheed, Frankreichs Dassault-Konzern, die deutsche Dasa und British Aerospace-Saab ihre Angebote für 60 Flugzeuge vorlegen. Schon die werden drei Milliarden Mark kosten. Und so werden eben zusammen mit Daimer-Chrysler Aerospace erstmal die alten MiG-29-Jäger technisch auf Nato-Standard gebracht.