Altlast zu entsorgen

Aus der Lehre in die Forschung - Nordrhein-Westfalen sucht eine geeignete Stelle für Werner Pfeifenberger

Was soll man bloß anfangen mit einem Professor für Politikwissenschaft, dem "Nazi-Töne", "Nazidiktion" bzw. eine Neuauflage der "Nazi-Mär von der jüdischen Weltverschwörung" nachgewiesen wurden und der von den Studierenden geschnitten wird?

Das Wissenschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen hat jetzt eine Lösung für das Problem gefunden: Er wird ausschließlich in der Forschung eingesetzt. Auf diesen Kompromiß einigten sich Dr. Werner Pfeifenberger und das Land NRW am 20. August vor dem Landesarbeitsgericht Hamm, nachdem die fristlose Kündigung des Dozenten in erster Instanz aus formalrechtlichen Gründen für unwirksam erklärt worden war.

Pfeifenberger wird nicht an die Fachhochschule Münster zurückkehren, wo er seit 1972 angestellt war. Er soll auch nicht mehr unterrichten dürfen. Im Gegenzug verpflichtet sich das Land, ihn bei gleichen Bezügen "lehrgebietsadäquat" an einem noch zu benennenden Forschungsinstitut unterzubringen. Dafür sei wohl nicht gerade ein Institut von Rang vorgesehen, argwöhnte der Kammervorsitzende.

Pfeifenberger zeigte sich gleichwohl zufrieden. Er behält sich das Recht vor, weiterhin Vorträge und Gastvorlesungen zu halten. Die Hochschule ist für ihn schon seit Jahren in erster Linie Versorgungsanstalt. Nachdem der Apartheid-Sympathisant von einer zweijährigen Gastprofessur an einer südafrikanischen Elite-Universität zum Wintersemester 1985 an die FH Münster zurückgekehrt war, wurden seine Veranstaltungen so konsequent boykottiert, daß seine Lehrtätigkeit zeitweise ruhte.

Sein Publikum mußte er sich anderswo suchen: Auf Tagungen der Deutsch-Südafrikanischen Gesellschaft, in den Südafrika-Seminaren des faschistischen Hilfskorps Südliches Afrika, bei der rechtskonservativen Psycho-Sekte VPM. Nach dem Abtritt des Apartheidregimes engagierte sich Pfeifenberger verstärkt in Österreich. Er schreibt dort für die FPÖ-nahe rechte Akademikerpostille Aula und veröffentlichte mehrmals im Jahrbuch für politische Erneuerung.

Sein wohl letzter Beitrag für diese Aufsatzsammlung der Freiheitlichen Partei Jörg Haiders erschien 1995. Unter dem Titel "Internationalismus gegen Nationalismus" skizzierte Pfeifenberger eine zweitausendjährige Subversion der "Internationalisten" gegen den Nationalstaat. In den Frühchristen erkennt er Bolschewiki des Altertums, der Papst wird zur Uno des Mittelalters.

Weiter geht es mit der Verschwörung der Freimaurerlogen, in die jüdische Mitglieder "ihr revolutionäres Denken" hineintragen. Freimaurer brechen den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg vom Zaun, wirken maßgeblich mit an der französischen Revolution und der Zerstörung der österreichisch-ungarischen Monarchie. Auch in der KP Rußlands entdeckt Pfeifenberger Juden als treibende Kraft. Die Geschichtsklitterung gipfelt in der nationalsozialistischen Propaganda einer "jüdischen Kriegserklärung" an das deutsche Volk als Auftakt des Zweiten Weltkriegs.

Den österreichischen Journalisten Karl Pfeifer kostete es keine große Mühe, in Pfeifenbergers Geschichtsmodell "Nazidiktion" zu entdecken. Seine kurze Rezension, die die Symbiose der FPÖ mit Ewiggestrigen aufzeigte, veröffentlichte er in der Zeitung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Pfeifenberger ließ es sich nicht nehmen, die "Nazi-Töne" einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, indem er Pfeifer und die jüdische Gemeinde verklagte und die Kritik so öffentlich machte. Der FPÖ war diese Publicity so peinlich, daß sie die verantwortlichen RedakteurInnen des Jahrbuchs vorläufig von allen Parteifunktionen entband.

Pfeifenbergers Dienstherrin, NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD), die sich schon seit Jahren den Vorwurf hatte gefallen lassen müssen, sie dulde die rassistischen Aktivitäten ihres Untergebenen, behielt sich dagegen vor, die Vorwürfe zunächst einmal zu prüfen. Sie bestellte den Professor zur Unterredung nach Düsseldorf, wo ihm eröffnet wurde, "bei böswilliger Lesart" seines Aufsatzes könnten "Mißverständnisse" auftreten. Das Ministerium verwies auf die anhängigen Prozesse in Wien, vor deren Abschluß keine endgültige Entscheidung getroffen werden könne. Damit schlug es die Gelegenheit aus, Pfeifenberger auf dem Wege der außerordentlichen Kündigung loszuwerden.

Im April 1997 veröffentlichte der Asta der FH das Gutachten des gerichtlich bestellten Historikers im Strafprozeß gegen Karl Pfeifer, das Pfeifenbergers Aufsatz gravierende Mängel wissenschaftlicher Arbeitsweise bescheinigte sowie Übereinstimmungen mit dem Nazi-Ideologen Alfred Rosenberg, dem Parteiprogramm der NSDAP und den Nürnberger Gesetzen. Im August wurde Pfeifenbergers zivilrechtliche Klage auf Unterlassung und Schadenersatz vom Handelsgericht Wien abgewiesen.

Unmittelbar vor der absehbaren strafrechtlichen Entscheidung feuerte das Ministerium den Hochschullehrer im September 1997 fristlos. Als offizielle Begründung wurde angegeben, daß ihm Presse und studentische KritikerInnen nun gerichtskundig "Nazi-Töne" nachsagen könnten - ein Umstand, der sich nicht mit dem Image eines Landesbediensteten vertrage.

Da sich diese Argumentation schon vor dem Arbeitsgericht Münster als wenig stichhaltig erwies, versuchte das Land zuletzt, den über zwanzig Jahre lang bekämpften studentischen Widerstand zu instrumentalisieren. Bei einer Rückkehr des Dozenten drohten "chaotische Zustände". Tatsächlich hatten Hochschulleitung und Ministerium die Weigerung der Studierenden, sich von einem Rassisten lehren und prüfen zu lassen, einmal als "Störung des Hochschulbetriebs" gegeißelt und denjenigen Sanktionen angedroht, die es wagen sollten, Pfeifenbergers Lehrveranstaltungen zu behindern.

Dieser Argumentation konnten die Anwälte des Klägers, VPM-Vorstand Rainer Rothe und sein Kollege Manfred Voigt, nur ein müdes Lächeln abgewinnen. Es gebe doch wohl eine Hausordnung für die FH, konterte Rothe. Der Asta wertet die Entfernung Pfeifenbergers aus dem Lehrbetrieb dennoch als Teilerfolg, der ohne den Druck von studentischer Seite wohl nicht zustande gekommen wäre. Für die Studierenden stelle sich jetzt die Frage, wann Pfeifenbergers Lehrstuhl neu besetzt wird oder ob die dafür vorgesehenen Mittel zweckentfremdet werden, um einen unkündbaren Revisionisten zu alimentieren.