Die Jäger aus Kurpfalz

Die jüngst von Neonazis veröffentlichten Listen politischer Gegner sollen nicht die letzten bleiben: Die Anti-Antifa Saarpfalz kündigt den Werwolf an

Wenn es um das Ausspähen von politischen GegnerInnen - die sogenannte Anti-Antifa-Arbeit - geht, sind sich fast alle Fraktionen der zerstrittenen extremen Rechten in Deutschland einig. Von der NPD-Postille Deutsche Stimme über die Junge Freiheit bis hin zu kopierten Skinzines und den zahlreichen Neonazi-Internetseiten - kaum eine rechtsextreme Publikation erscheint ohne oftmals detaillierte "Outing-Listen" von AntifaschistInnen, JournalistInnen oder GewerkschafterInnen. Politische Rückendeckung gibt es dafür nicht selten auch außerhalb des rechtsextremen Spektrums.

Und angesichts der geringen strafrechtlichen Konsequenzen für die Macher des Einblick - der letzten größeren bundesweiten Anti-Antifa-Liste - gibt es nichts, was die rechten Datensammler schreckt. Das jüngste Beispiel dafür, wie eng die Anti-Antifa-Aktivisten mit dem militanten Neonazispektrum verwoben sind, liefert eine zweiseitige Namensliste, die von Rechtsextremisten aus Ludwigshafen kürzlich an Gesinnungsgenossen in Berlin verschickt wurde. Alphabetisch sortiert, findet sich hier die PDS-Bezirksbürgermeisterin von Hohenschönhausen, Bärbel Grygier, neben Journalisten der Berliner Zeitung und des Senders Freies Berlin, Mitgliedern der SPD sowie Rentnern und linken Jugendlichen aus dem Ostberliner Bezirk Treptow. Ihre einzige Gemeinsamkeit: Sie beschäftigten sich in unterschiedlicher Form mit dem Thema Rechtsextremismus - beruflich, bei öffentlichen Veranstaltungen oder in Leserbriefen.

Den rund 40 Namen sind Wohnadressen, Telefonnummern und Pkws mit Kennzeichen zugeordnet. In einer Rubrik mit der Überschrift "Gesinnung/Partei" folgen Beschreibungen wie "linker Schreiberling", "Multikulti-Propagandist", "Rentnerin" oder "Hobby: Fußball". Einige der Genannten hatten zuvor Anzeigen im Neuen Deutschland geschaltet oder einen namentlich gezeichneten Leserbrief an die Zeitung geschickt. Ein in der Liste genannter junger Mann sollte im vergangenen Jahr Opfer eines Rohrbombenanschlags von zwei Treptower Neonazis werden. Offenbar ist der Absender der Liste, die Anti-Antifa Kurpfalz, noch nicht am Ziel angelangt - offen wird erklärt, man sei auf der Suche nach weiteren Adressen von "Linken, SPD usw." Einer der Betroffenen, dem die Liste anonym zugespielt wurde, hat mittlerweile Anzeige wegen "Volksverhetzung, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Rufmord" gestellt. Seither ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin "gegen Unbekannt". Der Berliner Verfassungsschutz erklärte, er wisse nicht, wer sich hinter der Anti-Antifa Kurpfalz verberge.

Man sei vor allem daran interessiert zu erfahren, wie die Liste in die Hände der Betroffenen gelangen konnte. Ein Bedrohungspotential kann - und will - man hier nicht erkennen. Die Tatsache, daß die Kameradschaft Treptow schon seit längerem nicht nur durch öffentliche Hetze auffällt, sondern sich durch gewalttätige Angriffe und Vorbereitungen für gezielte Anschläge einen einschlägigen Ruf erworben hat, wird ignoriert. Auch die enge Anbindung der Kameradschaft Treptow an das u.a. vom Berliner Anti-Antifa-Aktivisten Oliver Schweigert gegründete Netz der sogenannten Freien Kameradschaften in Berlin und die Anschläge des Berliner Neonazis Kay Diesner, der exakt nach den Vorgaben der Anti-Antifa vorging, gibt den Berliner Sicherheitsbehörden nicht zu denken. Dabei gehörte einer Gründer der Kameradschaft Treptow, der momentan wegen Beihilfe zum Totschlag inhaftierte ehemalige FAP-Aktivist Detlef Nolde, ebenfalls zum engeren Kreis der Berliner Anti-Antifa; er prägte das Vorgehen der Kameradschaft entscheidend mit. In Rheinland-Pfalz, wo die Anti-Antifa Kurpfalz herkommt, sind deren Aktivisten und bundesweiten Verbindungen zu Neonazi-Strukturen den Sicherheitsbehörden immerhin seit dem Herbst des letzten Jahres bekannt. Im November vergangenen Jahres hatte die Zeitschrift Blick nach Rechts berichtet, daß die Anti-Antifa Kurpfalz für "Fotos mit Namen und Adressen von Gegnern" fünf Mark zahle.

Das Antifaschistische Infoblatt legte jetzt einen Brief vor, in dem ein jugendlicher Aktivist der Anti-Antifa Kurpfalz die Veröffentlichung eines zwanzigseitigen Heftes mit dem Titel Werwolf ankündigt - abgedruckt werden sollen Privatadressen politischer Gegner. "Wir werden Euch demnächst mal besuchen kommen", droht der 16jährige Skinhead aus Schifferstadt den "lieben Volksverrätern".

In den von ihm herausgegebenen Skinblättchen Pfalzfront und Süd-West-Wind finden sich die passenden Begleittexte: Lobeshymnen auf Kay Diesner, Berichte von NPD-Aufmärschen und Nazikonzerten sowie -aktionen. Als eine Kontaktadresse in Berlin nennt der Skinhead u.a. den Versandhandel des Berliner NPD-Bundesvorstandsmitglieds Frank Schwerdt, der aus seiner Vorliebe für die Freien Kameradschaften keinen Hehl macht.

Auch wenn der 16jährige, der inzwischen angekündigt hat, die Anti-Antifa Kurpfalz werde von nun an als Anti-Antifa Saarpfalz auftreten, für sich genommen kein besonderes Bedrohungspotential darstellen mag: Sein direktes Umfeld hat mehrfach unter Beweis gestellt, wie fließend die Grenze zwischen rechter Propaganda und unmittelbarer Gewaltanwendung ist.

Im März vergangenen Jahres stellten Polizeibeamte in Rheinland-Pfalz bei Hausdurchsuchungen in der Szene der Freien Kameradschaften Sprengstoff, mehrere Gewehre, achttausend Schuß Munition und sieben Maschinenpistolen sicher. Mit einer der Maschinenpistolen war zuvor ein Anschlag auf einen türkischen Imbißstand verübt worden, zwei der Tatverdächtigen gehörten der Nationalen Volksfront - Kameradschaft Neustadt an. Auch der 16jährige Skinhead pflegt offenbar gute Beziehungen zur Nationalen Volksfront - immerhin verschickte er seinen jüngsten Drohbrief mit deren Briefkopf.