Rainer Langhans fordert, den Faschismus herauszulassen, Reinhold Oberlercher und Horst Mahler schwärmen von Blut, Boden und Heimat. Realität oder Inszenierung? Ins Hamburger Schauspielhaus gerufen hatte Christoph Schlingensief. Bei seiner "Deutschlandsuche '99" talkte der Berliner Regisseur am Tag der Deutschen Einheit mit denen, die ebenfalls unterwegs sind. Projiziert auf eine Leinwand, führten die Akteure Stücke über ihre Version des Realen auf. Das Publikum blieb dabei im Unklaren, ob das Spektakel live und die jeweilige Person echt war.
"Manchmal steckt in der Anhäufung von Schwachsinn mehr Wahrheit als in der Anhäufung von Wahrheit", erklärte Schlingensief. Als gegen Ende der Performance die Leinwand ganz verschwand, das Reale der Projektion sich offenbarte, machte sich Unsicherheit breit. Die Gäste des "Großen Hauses" wussten nicht, wie sie reagieren sollten: Sagten sie nichts, galten sie als schweigende Mehrheit, griffen sie ein, wurden sie zu Mitwirkenden der Show. "Wir wollten uns nicht von Schlingensief benutzen lassen", verteidigt sich eine Besucherin.
"Wir wollen etwas finden, was man uns pausenlos vorenthält", beschrieb Schlingensief eine seiner zahlreichen Intentionen für die "Deutschlandsuche". Aber vorenthalten werden einem die Mahler, Langhänse, Oberlerchers und andere Gespenster nun gerade nicht. Omnipräsent ist der von einem Redezwang befallene Mahler bei seiner Suche nach der rechten Heimat. Und selbst der wirre 68er und Staatsbriefe-Autor Oberlercher schafft es mit seinem Entwurf einer Reichsverfassung immer mal wieder vor die Studiokameras. Dabei verfügt er noch nicht einmal über die kleine NPD-Anhängerschaft, die zumindest Mahler schon hat.
Jene, die Schlingensief als wahnsinnig und normal für Deutschland präsentieren wollte, haben seine Inszenierung längst überholt. Das Provokante seines Panoptikums ist zum langweiligen Plagiat der Realität geworden. "Ik bün all doa!" ruft der Igel, und der Hase rennt sich zu Tode. Das würde wohl auch Schlingensief so sehen.
