Freispruch aus dem Frachtraum

Die Staatsanwaltschaft Augsburg schickt eine 100 Seiten starke Akte an das Bundesjustizministerium in Berlin: Dokumente, die fristgerecht am 15. Oktober beim kanadischen Justizministerium in Ottawa eingehen müssen, damit die Auslieferung von Karlheinz Schreiber klappt, dem Waffenhändler und CSU-Spezi, der wegen Bestechung und Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit einem Panzerdeal mit Saudi-Arabien gesucht wird. Als die Akte in Berlin eintrifft, bleiben gerade noch zwei Tage Zeit bis zum Ablauf der 45-Tages-Frist nach Schreibers Festnahme. Im Ministerium steckt man die 100 Blatt Papier nicht in ein, sondern offenbar in mehrere Kuverts, die noch dazu falsch adressiert sind: Nicht die Adresse des kanadischen Justizministeriums (für Ministerialbeamte: The Department of Justice, 284 Wellington Street, Ottawa, Ontario, Canada K1A 0H8), sondern die des Außenministeriums prangt auf den Umschlägen, die man vertrauensvoll der Air Canada übergibt. Ein Teil der Akte kommt auch an: Im kanadischen Außenministerium wundert man sich, was die Deutschen da geschickt haben, und legt die Dokumente erst einmal zur Seite. Der Rest der Akte verschwindet "auf ungeklärte Weise" im Frachtraum der kanadischen Maschine. Erst, als die Frist abgelaufen ist, taucht er wieder auf. Eine Erklärung für die rätselhafte De- und Rematerialisierung könnte Schreibers frühere Tätigkeit als Konfident des Bundesnachrichtendienstes sein. In diesem Falle hätten die Freunde aus Pullach gut für ihn gesorgt: Das Auslieferungsverfahren wurde zwar eröffnet; kanadische Juristen rechnen aber damit, dass Schreibers Anwälte es wegen der zu spät eingereichten Akten so lange verzögern können, bis die Vorwürfe nach kanadischem Recht verjährt sind und Schreiber laufen gelassen werden muss.