Rassistischer Überfall im Harz

Schlechte Gründe in Bad Grund

"Wir sind nicht schuld!" Eine Bad Grunder Bürgerin kommt gerade vom Einkaufen, als sie die Menge bunthaariger Jugendlicher und Afrikaner auf dem Marktplatz des Harzer Kurortes versammelt sieht. "Afrikaner sind auch Menschen", steht auf einem Plakat, das jene halten, die bis vor zwei Wochen noch in der Unterkunft oben im Wald wohnten.

Bis zu dem Überfall. Sechs bis acht Deutsche seien es gewesen, die am 10. Oktober mitten in der Nacht ihr Haus überfielen. Abschließen konnte man es nicht - das war der Gemeinde zu teuer. Nur drei Flüchtlinge hielten sich in dieser Nacht in der Unterkunft auf. Die anderen hatten Glück, sie waren zu Besuch bei Freunden.

"C'est qui, c'est qui?" schrie Mopela W. aus Kongo, als er von dem Krach, den die Täter machten, aufwachte. Die Männer hatten zunächst das Telefonkabel aus der Wand gerissen, dann an die verschlossenen Zimmertüren getrommelt - um herauszubekommen, wo die Schlafenden lagen. Sie schlugen die Türen ein, Joseph W. aus Kamerun konnte sich gerade noch aus dem Fenster retten und hinunter in den Ort rennen. Auf Ousmane B. und Mopela W. schlugen die hinter Ninja-Masken verborgenen Männer mit Knüppeln und Baseballschlägern ein. Ousmane B. aus Sierra Leone konnte schon nach wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden, Mopela aber kam nur knapp mit dem Leben davon: Eine Notoperation im Göttinger Krankenhaus rettete ihn vor den Folgen einer Hirnblutung.

"Von keiner offiziellen Seite wurde auch nur ein Wort des Bedauerns oder des Schreckens über diese brutale Tat öffentlich geäußert", kritisiert Maria Wöste, Sprecherin des Niedersächsischen Flüchtlingsrates. Weil sich die Kommune nicht um den Verbleib der anderen Bewohner kümmerte, seien die Flüchtlinge gezwungen gewesen, die erste Nacht in den Arrestzellen der Polizei zu verbringen. Eine Erlaubnis, ihren schwer verletzten Freund zu besuchen, erhielten sie erst nach langem Drängen.

In den ersten Stellungnahmen sprach die Polizei von einem rechtsradikalen Hintergrund der Tat. Die zuständige Staatsanwältin sah da noch andere Gründe: Einen regelrechten "Drogensumpf" wollte sie direkt nach der Tat in der Unterkunft ausgemacht haben, ein "Krieg unter Drogendealern" habe geherrscht. Doch selbst die Gemeindeleitung dementierte: Trotz einjähriger Beobachtung könne den jetzigen Bewohnern des Heimes keine Verbindung zum Drogenmilieu vorgeworfen werden. Inzwischen steht auch für die Staatsanwaltschaft fest: Ein "Bürgermob" habe den Schwarzen einen "Denkzettel" verpassen wollen.

Mitte letzter Woche dann die "Wander-Kundgebung". Vor allem die Bad Grunder Jugendlichen sind es, die bedauern, ihre Eltern nicht in dem Protestzug entdecken zu können. "Klar waren die entsetzt über den Überfall", verteidigt einer trotzdem die Bevölkerung. Sein Freund hat anderes gehört: Bad Grunder selbst sollen für den Überfall verantwortlich sein - im Nachbarort habe an dem Abend eine Nazi-Party stattgefunden, ein roter Wagen sei sowohl dort wie in Bad Grund gesehen worden.

Die Demonstranten verteilen Handzettel und beschweren sich, dass mehr vom Ruf des Kurstädchens die Rede ist als von den Opfern, und dass die Presseberichterstattung über angebliche Drogendealer in Bad Grund - der Focus titelte: "Frei essen, frei trinken, frei kiffen" - erst zu der Hetzstimmung geführt habe.