Ein Einzeltäter vor Gericht? Als der Berliner Neonazi Kay Diesner vor zwei Jahren zum ersten Mal im Lübecker Gerichtssaal saß, stand die Frage nach den rechtsextremen Zusammenhängen, in denen sich der Mann seit 1990 bewegte, zumindest noch im Raum. (Jungle World, Nr. 32/97) Doch die Richter entschieden sich anders: Zwar verurteilten sie Diesner zu lebenslänglicher Haft, weil er im Februar 1997 einen Polizisten ermordet und dem linken Buchhändler Klaus Baltruschat den linken Unterarm und den kleinen Finger der rechten Hand abgeschossen hatte. Doch von seiner Mitgliedschaft in der von Arnulf Priem geführten Nationalen Alternative und anderen militanten Aktionen wollten sie nichts wissen. Wenn am Donnerstag in Lübeck das Revisionsverfahren beginnt, wird es lediglich darum gehen, ob sich Diesner bei den aus zweieinhalb Metern auf Baltruschat abgegebenen Schüssen der schweren Körperverletzung oder nicht doch des versuchten Mordes schuldig gemacht habe.
