Wolfgang Flür über Kraftwerk

Fahrrad trifft Mercedes

Bei Popbands wie auch im richtigen Leben ist das Miteinander zumeist hierarchisch geregelt. Bei Kraftwerk, einer der wenigen genuin deutschen Bands überhaupt, war dies nicht anders, obwohl gerade sie jahrzehntelang den Inbegriff von Kollektiv-Identität verkörperte. Zehn Jahre nach seinem Ausstieg beim Unternehmen Kraftwerk hat der ehemalige elektronische Rhythmusarbeiter Wolfgang Flür seinen früheren Chefs Ralf Hütter und Florian Schneider eine kleine Abrechnung präsentiert, mit dem wohl selbstironisch gemeinten Titel "Kraftwerk - Ich war ein Roboter".

"Die Annahme, dass ich mit meinem Buch den Kraftwerk-Mythos zerstöre, ist nicht richtig. Hätte ich dies gewollt und alles ausgepackt, wären noch mindestens 900 Seiten dazugekommen, und die hätten dann wirklich am Mythos gekratzt." Leider hat der Autor mit dem ersten Teil seiner Aussage nur allzu Recht. Herausgekommen ist ein über weite Strecken langweiliger "Ich war dabei"-Erlebnisbericht, dessen schlichter Prosa-Stil nur noch von dem banalen Inhalt übertroffen wird. Hier und dort wird ein bisschen schmutzige Wäsche im Schongang gewaschen oder werden sensationell langweilige Interna ausgeplaudert, die jeder, der interessiert war, größtenteils schon in Pascal Bussys "Kraftwerk"-Geschichte von 1993 nachlesen konnte.

Dass hinter dem sorgsam aufgebauten Kraftwerk-Mythos zwei sturzbiedere Fahrrad-Fanatiker und Mercedes-Liebhaber steckten, die am liebsten in teuren Discos abhingen, kann dem von der Band gepflegten Ingenieurs-Image eigentlich nur dienlich sein; und auch die kühle Art, in der die beiden mit ihren Untergebenen Karl Bartos und Flür umzugehen pflegten, überrascht keineswegs. Deutlich geprägt von einem klassischen Schlagzeuger-Minderwertigkeitskomplex ("Ringo Starr-Syndrom"), sind die Betrachtungen Flürs zu seiner Rolle in der Band. Der Wunsch, mehr als nur ein gut bezahlter Hilfsmusiker sein zu wollen, ist zwar verständlich, wirkt aber auf die Dauer nervtötend. (Z.B. wird in epischer Breite ausgewalzt, wie sich Flür 1973 ein elektronisches Schlagzeug zusammenbastelte.)

Die Angst, nur als Wasserträger der Genies gesehen zu werden, lässt den Autor während des gesamten Berichts nicht mehr los, und so gibt er immer wieder neue Bastel-Anekdoten zum Besten, um seine Nützlichkeit hervorzuheben. Dabei wäre er normalerweise mit dem Aufkommen der ersten potenten Rhythmusmaschine entlassen worden, hätte man ihn nicht für die Bühnenauftritte als Roboter-Darsteller benötigt. Mit larmoyantem Unterton wird der Prozess des Überflüssig-Werdens von Romantiker Flür nacherzählt; der Ton, in dem er über seine Ex-Arbeitgeber spricht, schwankt zumeist zwischen ehrfürchtig und enttäuscht.

Seltsamerweise kamen im Vorfeld der Buchveröffentlichung Gerüchte auf, Hütter und Schneider wollten einige Passagen der Autobiografie gerichtlich verbieten lassen. Wegen was, wegen Nichtigkeit?

Müssen sich Ralf und Florian erst in ihrer gewohnt elitären Art noch einige Male mehr abfällig über den kleinen Wolfgang äußern, bevor der die richtig fiesen Storys auspackt, oder soll man bezweifeln, dass es solche überhaupt gibt? Zeig's uns, Wolfgang!

Wolfgang Flür: Kraftwerk - Ich war ein Roboter. Hannibal, St. Andrä 1999, 304 S., DM 38