Lesbisches Teenie-Melodram

Anders in Åmål

So eine peinliche Geburtstags-Party auszurichten, ist wohl der Inbegriff eines Teenager-Alptraums: Gezwungen von ihrer Mutter, lädt die 16jährige introvertierte Agnes die neuen Mitschüler ein, um dann stundenlang vergebens im extra ausgeschmückten Wohnzimmer zu warten. Denn natürlich kommt keiner, Agnes ist die Außenseiterin, als lesbisch verschrieen, und kann daran, entgegen allen Verhaltensratschlägen ihrer Eltern, nichts ändern.

Agnes lebt in Åmål, einem absoluten schwedischen Provinznest, in dem man entweder dazugehört oder eben nicht. Aber auch diejenigen, die dazugehören, sind nicht glücklich. In "Fucking jaevla kuk Åmål" ("Verficktes, verdammtes Schwanz-Amal") sind die heißen Trends der Großstadt längst abgekühlt, wenn sie dort ankommen, und so bleibt nichts zu tun, als mit den Rheuma-Pillen aus dem elterlichen Medizinschrank zu experimentieren, Alkohol zu trinken und darauf zu warten, dass dort vielleicht doch mal irgendwann ein Rave stattfindet.

Für die erlebnishungrige, beliebte und hübsche Elin reicht das alles nicht, sie will mehr, sie will raus, sie will anders sein. Trotz Stubenarrest. Und so macht sie sich, weil es nichts anderes zu tun gibt, gemeinsam mit ihrer Schwester doch noch auf zu Agnes' Party. Wo es zum Krach zwischen den Mädchen kommt.

Während Agnes abends traurig zu Hause sitzt, Herzchen malt und wieder und wieder Elins Namen schreibt, tut die das, was die Jugend Åmåls so macht: Sich bedröhnen, sich langweilen und sexuelle Kontakte mit den Jungs aufnehmen. Aber die Jungs von Åmål haben wenig Anziehendes. Sie sind dröge Machos, die schon genaue Vorstellungen über ihr späteres Leben haben, auch wenn der traditionelle Schwanz-Vergleich dem Handy-Contest gewichen ist: Gewinner ist nicht mehr, wer den größten hat, sondern der mit dem kleinsten. Und so fühlt sich Elin mehr und mehr zur Außenseiterin Agnes hingezogen: Sie unternehmen gemeinsam einen halbherzigen Fluchtversuch aus Åmål, durchleben Qualen und Gefühlschaos, bevor sie am Ende Hand in Hand die schönste und buchstäblichste "Coming out of the closet"-Szene der Filmgeschichte zelebrieren dürfen.

Lukas Moodyssons Erstlingswerk erinnert durch seine Direktheit an die dänischen Dogma-Filme, aber statt einer verwackelten Handkamera und Naturlicht betonen hier die grobkörnigen Bilder des Umkehrfilms den dokumentarischen und realistischen Charakter des Melodrams.

Der Hauptgrund für das Gelingen des Films dürften aber neben der einfühlsam und witzig inszenierten Geschichte die souverän und unverbraucht agierenden Schauspielerinnen Alexandra Dahlström und Rebecca Liljeberg sein. Beide wurden durch den immensen Erfolg des Films in Skandinavien zu umjubelten Medien-Stars mit eigenen Fan-Clubs und Web-Seiten. Auch wenn die junge Lesbenliebe im Vordergrund steht, behandelt der Film eigentlich ein viel universelleres Thema: Es geht um das jugendliche Anderssein an sich. Denn niemals ist der Konformitätszwang und die dazugehörige Ausgrenzung so rigoros wie in der Adoleszenz, und in der Provinz wohl noch rigoroser als anderswo.

"Fucking Åmål". Schweden 1998. R: Lukas Moodysson. D: Alexandra Dahlström, Rebecca Liljeberg. Start: 2. Dezember