Tipp für Frühaufsteher

Demokrat Bismarck

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Vorweihnachtszeit ist Geschenkezeit. Zum Nikolaustag hat sich deshalb die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) etwas Besonderes einfallen lassen. Zusammen mit der Otto-von-Bismarck-Stiftung veranstaltet sie ein eintägiges Fortbildungsseminar für Lehrerinnen und Lehrer. Das Thema dieser Veranstaltung könnte nikolausiger kaum sein: "Soziale Frage, Sozialistengesetz und Sozialreform im 19. Jahrhundert".

Eine interessante Kooperation zwischen zwei Bundesstiftungen, wenn man bedenkt, dass es im Juni 1997 bei der Umwandlung der Bismarck-Stiftung in eine Bundesstiftung des öffentlichen Rechts in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung noch hieß: "Otto von Bismarck wurde damit zu den Ehren republikanischer Altäre erhoben, zu denen bislang nur ausgewiesene Demokraten wie Konrad Adenauer, Theodor Heuss, Willy Brandt und Friedrich Ebert zugelassen waren."

Das Stiftungskonzept wurde damals vom Nolte-Anhänger Klaus Hildebrandt erarbeitet. Für die Pflege eines rechtskonservativen Geschichtsbildes steht auch deren Vorstandsmitglied, Bismarck-Enkel Ferdinand: Im Stiftungssitz Friedrichsruh treffen sich unter seiner Schirmherrschaft jedes Jahr Nazis und Braunzonenaktivisten zur "Reichsgründungsfeier".

Zur Nikolaus-Diskussion wählte man denn auch die ehemalige deutsche Reichs- und heutige Bundeshauptstadt. Drunter geht's nimmer, da ist man sich auf sozialdemokratischer und konservativer Seite einig. Und weil Ebert und der Eiserne Kanzler Frühaufsteher waren, geht es auch schon um halb zehn Uhr morgens los.

Zunächst wird Bundesminister a.D. Hans Matthöfer die Eröffnungsansprache halten, anschließend stehen drei Referate auf dem Programm. Vormittags geht es um die "Stellung von Staat und Gesellschaft gegenüber der Sozialdemokratie im Kaiserreich". Nach dem Mittagessen stehen "Bismarcks Arbeiterversicherung" sowie die Untersuchung der Frage nach den "Voraussetzungen ihrer Entstehung und die sozialpolitischen Probleme von heute" auf der Tagesordnung. Schließen wird die Tagung mit einem Vortrag zur "sozialen Frage", zum Sozialistengesetz und zur Sozialreform.

Trotz obligatorischer Meinungsverschiedenheiten - selbstverständlich innerhalb des demokratischen Meinungskanons - wird man sich wohl prächtig amüsieren. Und für das gemütliche Beisammensein am Abend bleibt die Diskussion über eine Aussage Bismarcks zur Frage des Umgangs mit dem politischen Gegner: "Höflichkeit bis zur letzten Galgensprosse, aber gehenkt wird doch!"