Heil Kötbullar!

Da fasst sich der Elch ans Geweih: In Schweden hat sich Europas aktivste Neonazi-Szene etabliert, die auch vor politischen Morden nicht zurückschreckt. Ein Gespräch mit Stieg Larsson vom antifaschistischen Magazin Expo

Auch in Schweden haben in den letzten Jahren rechte Parteien Zulauf, die Einwanderungs- und Asylgesetzgebung wurde verschärft. Wie hat die schwedische Öffentlichkeit auf die Terrorkampagne der Neonazis reagiert?

Niemand mag Polizistenmörder oder Leute, die Gewerkschafter umbringen. In diesem Herbst hat es die größten antirassistischen Demonstrationen in Schweden in den letzten zehn Jahren gegeben. Es entsteht ein wachsendes Bewusstsein, dass der Neonazismus eine Bedrohung für die Demokratie in Schweden darstellt.

Lange Zeit wurde Neonazismus als ein Fall für die Sozialarbeiter gesehen - vereinzelte junge Männer, die zu viel Bier trinken, den Hitler-Gruß zeigen und dann Immigrantinnen und Immigranten zusammenschlagen. Die staatlichen Stellen haben reagiert, indem sie Sozialarbeiter zu den Jugendlichen schickten, die versuchen sollten, ihre Lebensbedingungen zu verbessern und sie zur Vernunft zu bringen. Dieser Ansatz funktioniert nicht, weil Neonazismus eine politische Bewegung ist, die mit politischen Mitteln bekämpft werden muss.

So genannte White Power-Musik hatte in den neunziger Jahren erheblichen Zulauf in ganz Skandinavien, und gerade in Schweden gelang es organisierten Neonazis über die Musikindustrie, viele Jugendliche zu erreichen.

Die gesellschaftliche Haltung dazu hat sich im letzten halben Jahr dramatisch geändert. Das ist aber eine sehr neue Entwicklung. Vor zwei Jahren gab es eine Studie, bei der sich herausstellte, dass ein sehr großer Prozentsatz der schwedischen Jugendlichen nicht glaubt oder zumindest daran zweifelt, dass es die nationalsozialistischen Vernichtungslager gegeben hat. Daraufhin entschloss sich die Regierung zu handeln. Das international einmalige und sehr erfolgreiche Projekt "Living History" wurde ins Leben gerufen. Das Ziel ist, die Bildungsarbeit und das Bewusstsein für den Holocaust in der gesamten schwedischen Bevölkerung zu fördern. So wurde kostenlos an alle schwedischen Haushalte ein Buch verteilt, das den Holocaust und Antisemitismus zum Thema hat. Dieses Buch wird gerade ins Deutsche übersetzt. Ich bezweifle allerdings, dass es in Deutschland kostenlos verteilt wird.

Trotzdem scheint es, als hätten staatliche Stellen, besonders die schwedische Sicherheitspolizei Säpo, die Entwicklung des organisierten Neonazismus nicht ernst genommen. Nach den ersten Neonazi-Anschlägen in diesem Jahr wurde der Säpo-Leiter in den deutschen Medien mit Stellungnahmen zitiert, die auch hier verbreitet sind: Neonazi-Terror sei kein Problem, die eigentlichen Feinde der Demokratie stünden links.

Die Säpo wurde von allen Seiten kritisiert, auch von lokalen Polizeibeamten, die sich auf der Suche nach Informationen über die rechte Szene an Journalisten wandten, weil die Säpo ihnen nicht weiterhelfen konnte oder wollte. Nach unseren Schätzungen umfasst der harte Kern der Neonazi-Szene in Schweden - einem Land mit einer Bevölkerung von 12,5 Millionen - rund 500 Personen. Dazu kommt ein erweitertes Umfeld von 1 000 bis 2 000 Leuten und eine nicht erfassbare Anzahl von Jugendlichen, die Nazimusik hören oder entsprechende Konzerte besuchen. Der Kern der Neonazis, die in die Terrorkampagne verwickelt sind, dürfte jedoch kaum mehr als 15 bis 20 Leute ausmachen.

Ein Hauptaktionsfeld der schwedischen Naziterror-Szene ist die so genannte Anti-Antifa-Arbeit, bei der politisch unliebsame Menschen ausspioniert und letztlich zum Abschuss freigegeben werden. Auch in Deutschland haben Anti-Antifa-Aktivitäten stark zugenommen. Teile der militanten Neonazi-Szene propagieren sie als übergreifende politische Strategie. Im Oktober gab es in Berlin, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Niedersachsen deswegen Hausdurchsuchungen bei zwölf langjährigen Nazikadern. Den zurückhaltenden Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft war danach zu entnehmen, dass Listen von so genannten politischen Gegnern, Staatsanwälten und Journalisten gefunden worden seien. Die Betroffenen werden aber in Deutschland nie von der Justiz informiert oder gewarnt, es sei denn, es handelt sich um Behördenvertreter.

Aus der schwedischen Erfahrung kann man nur die bittere Erkenntnis ziehen, dass dieses Verhalten der Polizei tödliche Konsequenzen haben kann. Jeder, der auf einer derartigen Liste auftaucht, sollte informiert werden. Das beste Beispiel dafür ist der Mord an Björn Söderberg. Söderberg hatte den führenden schwedischen Anti-Antifa-Aktivisten Robert Vesterlund an seinem Arbeitsplatz und in der Gewerkschaft als Neonazi geoutet. Einen Monat später besorgten sich enge Kontaktpersonen von Vesterlund ein Passfoto von Söderberg - diese Informationen sind in Schweden jedermann zugänglich. Danach begannen die Neonazis systematisch, Söderbergs Leben auszuspionieren. Polizeibeamte beobachteten, wie die Nazis das Apartmenthaus von Söderberg ausspionierten. Sie beobachteten auch, wie die Nazis am Tag vor dem Mord das Gebäude betraten und Söderbergs Wohnung ausfindig machten. Aber niemand hielt es für nötig, Söderberg über die Bedrohung zu informieren.