Teilen, nix beherrschen

Viel angekündigt und wenig erreicht: Die strukturellen Verbesserungen für die Nazi-Szene nach der Spaltung der JN sind ausgeblieben.

Gereinigt von den als zu undeutsch empfundenen Elementen der Jungen Nationaldemokraten (JN) sollte eine neue nationale Institution entstehen: Das Bildungswerk der Deutschen Volksgemeinschaft (BDVG). So dachten es sich zumindest ehemalige JN-Aktivisten, die sich von der NPD-Jugendorganisation im Mai dieses Jahres getrennt und das Unternehmen großspurig ins Leben gerufen hatten (Jungle World, 28/99). Doch auch mit ihrer vorerst letzten Aktion im November, einem Vortrag zu zehn Jahren deutscher Einheit, ist es ihnen nicht gelungen, die nationale Jugend zu begeistern.

Zur Spaltung der JN war es hauptsächlich wegen der künftigen Organisations-Strategie gekommen. Dabei standen sich die Fraktionen um Holger Apfel, der sich stärker an der Mutterpartei orientierte, und um Achim Ezer, der wieder zum ursprünglichen JN-Konzept der unabhängigen Kader-Organistion zurück wollte, gegenüber. In der Kampfabstimmung zwischen beiden Fraktionen unterlag Ezer. Mit dem Vorwurf des Wahlbetrugs, der Satzungsverletzung und der Rufschädigung verließen dann der nordrhein-westfälische, der sächsische und teilweise der baden-württembergische Landesverband die JN und erklärten das BDVG für gegründet.

Dort wollte man wieder Kaderschulung betreiben: Immer entlang der reinen nationalen Idee und den Blick auf die Zukunft des deutschen Volkstums gerichtet. Aber die Aktivisten um Achim Ezer kamen nicht so recht voran: Bundesweit fanden im letzten halben Jahr fünf Veranstaltungen statt. Und was das selbst ernannte Bildungswerk dann in Heilbronn, Ludwigshafen, Aachen oder Bischofswerda anbot, lief immer nach dem gleichen Schema ab: BDVG-Vorsitzender Ezer hielt eine »emotionale Rede« über die »eklatanten Missstände in unserem Land«, der jeweilige Gastredner lieferte den Kameraden einen informativen Vortrag über Themen wie »das sozialpolitische Versagen der Bundesregierung«. Anschließend folgte das gesellige Beisammensein.

Als Gastredner holte man sich zu den Veranstaltungen diverse Theoretiker aus der Braunzone. Im sächsischen Bischofswerda trat vor 40 Leuten Johannes Hertrampf, Chef der Freiheitlichen Partei Deutschlands, auf. Bei der Veranstaltung zum zehnten Jahrestag des Mauerfalls, in Heilbronn, referierte ein Professor Walter Marinovic aus Wien, und im August lud sich das BDVG den rechten Verleger Gert Sudholt nach Heilbronn ein.

Vom »Amt für Schulung« des BDVG werden zudem Schulungsbriefe, -mappen und -lehrgänge herausgegeben, die sich ausführlich mit solchen Themen wie Versailles, Nietzsche und dem Mehrwert beschäftigen. Einziger Lichtblick für praktisch veranlagte Kameraden war ein Orientierungsmarsch bei Aachen im August. Ansonsten ist der Verein damit beschäftigt, seine Zentrale in Eschweiler-Dürwiß bei Aachen einzurichten. Zur Zeit wird gerade Teppich gelegt, nebenbei versucht man, die örtliche Bürgerinitiative Gemeinsam gegen Nazis auszukundschaften, die sich gegen das als Nazi-Haus bekannte Objekt engagiert.

Dort hat auch immer noch das ehemalige JN-Blättchen Schwarze Fahne seinen Sitz, es soll nun als BDVG-Organ dienen. Auch seinen Versandhandel ließ sich Ezer durch die Abspaltung von der JN nicht nehmen. Er betreibt ihn als »Achim Ezer Versandhandel Schwarze Fahne« weiter, der ehemalige JN-Chef und heutige NPD-Funktionär Holger Apfel wirft ihm deswegen Bereicherung vor. Wegen der Schwarzen Fahne läuft bereits ein Verfahren.

All diese Streitereien haben dazu beigetragen, dass es nicht zu der von Antifas befürchteten bundesweiten Ausbreitung des BDVG als Nazi-Kaderorganisation kam. Neben der Bundeszentrale in Eschweiler gibt es nur noch einen Gebietsverband für Baden-Württemberg in Heilbronn und einen in Sachsen. Von diesem ist jedoch lediglich eine Telefonnummer in Kamenz bei Dresden bekannt.

Auch die Gefahr einer Scharnierfunktion des BDVG zwischen JN und Freien Kameradschaften zeichnet sich derzeit nicht ab. Zwar durfte Ezer beim NPD/JN-Aufmarsch im Mai in Köln noch als Redner auftreten, weiter reicht die Zusammenarbeit jedoch bisher nicht. Auf den Internet-Seiten des BDVG sind bis heute keine Links zu NPD oder JN zu finden, dafür aber zum Bündnis Rechts (Lübeck), zur Freiheitlichen Partei, zur Wanderjugend Gibor und zu Horst Mahler.

Die JN haben sich von der Spaltung noch nicht erholt. In Dresden ist ihre ehemalige Bundesgeschäftsstelle weggefallen, die maßgeblich von Oliver Händel betrieben worden war. Händel, bis zur Spaltung Chef des sächsischen Landesverbands, hatte bei der Abspaltung von den JN eine zentrale Rolle gespielt. Von ihm stammt auch ein Hetzbrief gegen die Rest-JN, in dem von Vaterlandsverrat und Rassenschande die Rede ist. Dass die Spaltung der JN Spuren hinterlassen hat, zeigt sich auch auf den Websites der baden-württembergischen JN: Bis Anfang Dezember fand sich dort nur ein Link zum BDVG.

Auf ihrem letzten Kongress im November entledigte sich die NPD-Jugendorganisation der letzten Störenfriede und damit auch der wenigen Aktivisten. Statt Kaderschulung und dem Aufbau einer festen Struktur widmet man sich eher der Vorfeldarbeit für die NPD. Damit hat die Organisation zur Mutterpartei zurückgefunden, und die Apfel-Fraktion hat sich durchgesetzt.

Doch nicht nur durch die Verluste auf Bundesebene haben die JN Substanz verloren. In den Ländern, in denen sich die kompletten Landesverbände aufgelöst haben, konnten sie bisher kaum wieder Fuß fassen. In NRW wurde zwar ein neuer Landesvorstand ernannt, in der regionalen Antifa-Zeitschrift Lotta wird er jedoch als Provisorium eingeschätzt. Auch in Sachsen sind von den JN im letzten halben Jahr keine Aktivitäten mehr ausgegangen.

Es ist offensichtlich, dass die Spaltung der JN den bundesweiten Strukturen der Neonazis eher geschadet als genützt hat. Ihre Schwäche verstärkt den Zulauf zu den Freien Kameradschaften und den mehr subkulturell orientierten Blood&Honour-/Hammerskin-Strukturen. Ohne Kontrolle durch Parteien oder parteiähnliche Strukturen wie NPD oder JN sind sie relativ unberechenbar, zumal ihre Militanz weiter zunimmt.