Silvester in Rathenow

Keine besonderen Vorkommnisse

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Rathenow, nein, nicht Lutz. Sondern die nordwestlich von Berlin gelegene Kreisstadt im Landkreis Havelland mit 27 473 Einwohnern. Seit Jahren ist sie wegen faschistischer Übergriffe bekannt.

In der Silvesternacht erwischte es kurz nach Mitternacht eine Gruppe von sechs Pakistanis, die die Wilhelm-Külz-Straße entlanggingen. Auf Höhe des Postamtes standen ihnen plötzlich fünf Deutsche gegenüber. Wenig später lag ein Pakistani am Boden, mit dem Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma musste er ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Zeugen gibt es keine, eine politisch motivierte Tat könne man derzeit nicht ausschließen, heißt es in der Pressestelle des Polizeipräsidiums Oranienburg. Die Täter seien unbekannt, die Polizei erwäge, in der örtlichen Presse einen Aufruf zu platzieren, ob nicht doch jemand den Angriff am Postamt gesehen habe.

500 Meter von diesem Postamt entfernt, drei Stunden nach der Attacke auf die Pakistanis: Vier Personen sind auf dem Weg von einer Party zur nächsten. Der Weg führt durch die Goethestraße, bekannt als gefährlicher Ort für alle, deren Outfit nicht Arier-kompatibel ist. Hier ist auch einer der örtlichen Nazi-Treffpunkte, die Kneipe »Kiste«.

Die ist sogar der Polizei bekannt, die in weiser Voraussicht ein großes Auto samt Besatzung einige Meter weiter geparkt hat. Was eine Gruppe von 20 bis 25 jüngeren Nazis, die auf dem Gehweg rumlungert, aber keine Kopfschmerzen bereitet. Die herannahenden Party-Hopper entdecken den Mob und wechseln die Straßenseite. Direkt am Polizeiauto vorbei gehen die ersten beiden, die anderen einige Meter hinterher.

Die Nazis bemerken nun ebenfalls, dass sich was bewegt. Im Sturmschritt läuft die Hälfte der Fascho-Gang auf die Passanten zu. Denen wird die Situation unangenehm, einer geht zurück zum Polizeiauto und bittet um Hilfe. Tatsächlich fahren die Beamten ihr Auto behutsam zum Ort des Geschehens.

Dort wird derweil zugeschlagen und -getreten. Die anwesende Polizei macht den Nazis aber keinen Ärger. Der Geschädigte ersucht die Beamten, doch bitte eine Anzeige wegen Körperverletzung aufzunehmen. Praktisch auch, dass die Schläger in aller Ruhe wenige Meter weiter verweilen. Der war beteiligt, der auch, und der dahinten sowieso: Notieren Sie sich doch bitte die Personalien, Herr Einsatzleiter.

Doch der beurteilt die Situation anders. Statt hier irgendeine Anzeige aufgeben zu wollen, sei es besser, das Provozieren zu unterlassen und sich alsbald zu entfernen: Niemand könne schließlich garantieren, dass die Schläger-Gruppe noch länger ruhig am Straßenrand stehe.