Feuerärsche erst ab 18

»South Park« in Höchstform. Der Kinofilm zur TV-Serie ist besser als die Serie selbst.

Da muss sich Matt Groening echt was einfallen lassen, damit seine Simpson-Familie nicht ins Aus katapultiert wird. Spätestens wenn der Soundtrack des »South Park»-Films die Charts abräumt, wird das wie eine Siegerhymne für die »South Park»-Macher Trey Parker und Matt Stone klingen. Überhaupt: Eigentlich ist der lang erwartete Film zur Serie weniger ein Film als ein Musical. Satans Song »Oben« oder die Lieder »Kyle's Mom Is a Bitch« und »Uncle Fucka« haben gute Chancen, Hits zu werden. Wenigstens für die kleine Gemeinde mit dem speziellen Humor, den man braucht, um so was wie »South Park« gut zu finden.

Wer befürchtet hat, der Film würde mit Rücksicht auf eine gewisse Publikumswirksamkeit weniger gnadenlos als die TV-Serie, hat sich getäuscht. Die Kinoversion lässt die Serie an Härte und Direktheit weit hinter sich. Zum Dank blieb er in den USA für Jugendliche unter 18 Jahren verboten, in Deutschland ist er ab 16 freigegeben. Das ist natürlich schade, denn so wird er einen Großteil der eigentlichen Zielgruppe erst erreichen, wenn es ihn als Video gibt. »South Park« wird zwar oft als Comic für Erwachsene bezeichnet, doch die Eltern sollte man besser nicht mit ins Kino nehmen. Sie würden vermutlich weder die derben Schimpfwortkanonaden noch die Splatter-Operation an dem armen Kenny überstehen.

Dass »South Park« über Tabubrüche funktioniert, ist bekannt. Wie man das macht, dass das immer noch lustig ist, bleibt das Geheimnis der beiden Regisseure. Vielleicht liegt es daran, dass »South Park« auch mit eigenen Tabus bricht. Bereits ganz zu Beginn ist der etwas mysteriöse nuschelnde, sonst jederzeit zugeschnürte Kapuzenträger Kenny nackt zu sehen - von hinten. Parker und Stone haben sich alle Mühe gegeben, keinen Tabubruch auszulassen. Eine Abrechnung mit Political Correctness, wie viele meinen, ist »South Park« trotzdem nicht. Denn hier wird nicht über Juden gelacht oder über Schwarze, nicht über Schwule oder Kanadier, sondern über eine Gesellschaft, die von vorne bis hinten verkorkst ist - über die US-Gesellschaft.

Die Filmbranche ist da ein besonders dankbares Opfer, weshalb vor allem hier derbe abgerechnet wird. Brooke Shields, Winona Ryder, die Baldwin-Sippe - alle bekommen ihr Fett weg. Hollywood als Büchse der Pandora. Da ist es nur folgerichtig, dass am Ende ein penetrantes Happy-End inklusive Free-Willy-Auftritt die ganze Sache krönt. Das erinnert stark an »Mars Attacks«. Übrigens muss mittendrin auch Bill Gates dran glauben, weil Windows 98 nicht funktioniert. So übernehmen Parker und Stone ein Stück Gerechtigkeitsherstellung.

Ach so, die Geschichte. Ja, also ganz klassisch eine Film-im-Film-Story: In den USA kommt ein Streifen der Kult-Regisseure Terrance und Phillip in die Kinos mit dem wunderschönen Titel »Asses of Fire«. Obwohl erst ab 18 freigegeben, gelingt es den vier bekannten Kids, Stan, Kyle, Cartman und Kenny, sich Eintritt zu verschaffen. In dem schlecht gezeichneten Film (um Missverständnisse auszuschließen: es geht jetzt um den Film im Film, und nicht um »South Park«) zündet sich einer der Protagonisten seine Fürze an, der Rest besteht aus übelsten sexistischen Schimpfwortattacken und dem Onkel-Ficker-Song - begleitet von unzähligen Furz-Salven.

Die Kids sind von dem Streifen begeistert. Kein Wunder, dass sie am nächsten Tag auf dem Schulhof mit Schimpfwörtern nur so glänzen können. Pädagogische Versuche, die rasende Verbreitung der Fäkalsprache unter den SchülerInnen zu stoppen, scheitern. Der Vorschlag des Vertrauenslehrers etwa, statt Arschloch Poloch zu sagen, kommt nicht gerade gut an. Schließlich wird dem kleinen Cartman ein V-Chip in den Kopf eingepflanzt, der bewirkt, dass der Junge bei jedem Schimpfwort einen Stromschlag erhält. Doch weil auch das nichts nutzt, schließen sich die besorgten Eltern zusammen und gründen eine Organisation namens »Mothers against Canada«, weil der Film - wie alles Schlechte - aus Kanada kommt. Bryan Adams übrigens auch - aber für den haben sich die Kanadier bereits bei den USA entschuldigt.

Im Falle des Films »Asses of Fire« bleibt die kanadische Regierung jedoch hart. Schließlich verhaften die USA die beiden Filmemacher und auf Druck der Mütter wird von Bill Clinton ihre Hinrichtung verkündet. Als kanadische Flugzeuge daraufhin ein paar Bomben über das Anwesen der Baldwin-Familie abwerfen, reagiert Clinton, indem er Kanada den Krieg erklärt. Nun beginnt ein gnadenloses Gemetzel, bei dem den schwarzen Soldaten die besondere Ehre zuteil wird, als menschliche »Schutzschilde« die erste Front bilden zu dürfen.

Während oben der Krieg wütet und Kanadier in Konzentrationslager gesteckt werden, freuen sich unten in der Hölle Satan und sein kleiner schwuler Freund Saddam Hussein darauf, die Weltherrschaft zu übernehmen. Das soll nämlich der Fall sein, sobald Terrance und Phillip hingerichtet werden. Die Kinder sind unterdessen nicht untätig und gründen eine Widerstandsgruppe namens La Résistance. Ihr Ziel: Ihre Lieblinge Terrance und Phillip während der großen patriotischen Hinrichtungsshow zu befreien. Schließlich wird der längst getötete Kenny zum eigentlichen Star und Retter von South Park.

Die Synchronisation des Films ist gelungen. Man kann sich kaum vorstellen, dass die Dialoge beim Übersetzen entschärft wurden. Jedenfalls sind kaum derbere Sprüche denkbar, als sie hier über die Lippen der deutschen SprecherInnen kommen. Ihre Stimme brachten u.a. Heiner Lauterbach, Heinz Hoenig, Guildo Horn und Andreas Türck ein. Auch Lilo Wanders hat eine kleine Sprechrolle - sie spricht eine überlebensgroße Klitoris, die Stan verraten soll, wie er endlich zu seiner geliebten Wendy findet.

»South Park - Der Film«, im Original »Bigger, Longer & Uncut«, wird sicher kein Kassenrenner werden. Zu klein dürfte die Fangemeinde des schlechten Geschmacks sein. Der Humor ist zu pointiert, als dass er unter die Rubrik Trash fallen würde, die Dialoge sind zu scharf und obszön, um in die Familienfilm-Kategorie des »Kleinen Arschlochs« zu fallen. »South Park« ist ein Film ohne Schongang. Er ist vor allem ein antiamerikanischer Film. Und was schon in Deutschland als gewagter Tabubruch ankommt, muss in den Staaten wie ein Schocker wirken.

Was mir persönlich ein wenig Sorgen bereitet, ist, dass das »South Park»-Merchandising langsam die von mir so geliebten »Simpsons»-Ecken in den Kaufhäusern verdrängt. Mit jedem Plüsch-Kenny mehr verschwindet eine »Simpson»-Tasse aus den Regalen. Aber es ist nun mal wahr: Gegen Stan, Kyle, Cartman und Kenny ist Bart Simpson ein harmloses braves Mittelstandswürstchen. Vielleicht muss ich umsteigen.

»South Park - Der Film«, USA 1999. R: Trey Parker; B: Trey Matt Stone, Pam Brady. Start: 20. Januar