Weltoffen für Walser

Die Zeitschrift Das Argument hat unter ihren Autoren einen »Vertreter rechtsextremen Gedankenguts« entdeckt: Kenneth Lewan.
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Wo die Linke diskutiert, mag ein Teil der Rechten gerne mitreden. Und manchmal darf er das auch: Konnte in den achtziger Jahren ein Alfred Mechtersheimer mit nationalistischen und antiamerikanischen Positionen etwa in den Blättern für deutsche und internationale Politik mitdiskutieren, so ist es heute oft das Streben für »unterdrückte Völker und Minderheiten«, das zur Einbindung von Rechten in linke Zeitschriften führt.

Der jüngste Fall betrifft die linke Theoriezeitschrift Das Argument - Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften. In der Ausgabe 5/1999 beschreibt der Politikwissenschaftler Robert Erlinghagen die politischen Positionen von Kenneth Lewan, einem emeritierten Professor für Politische Wissenschaft. Der US-Amerikaner Lewan hat in den letzten Jahren mehrere Beiträge im Argument veröffentlicht, zählt aber auch zu den regelmäßigen Autoren der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF).

Die feiert ihren Autor als »kritischen Analysten des Zeitgeschehens« sowie als »nüchternen und seriösen Wissenschaftler«. Lewan sei der »Prototyp eines linksintellektuellen, weltoffenen Ostküsten-Demokraten« hieß es dort gegen Ende des letzten Jahres.

Für die Junge Freiheit machte sich Lewan beispielsweise Gedanken über die »Konsequenzen der Einwanderung»: Nicht-deutsche Menschen würden Deutschen ihre Arbeitsplätze wegnehmen. Lewan argumentiert offen rassistisch, wenn er von der »Schrumpfung der ethnisch deutschen Bevölkerung« spricht oder als »Schattenseite des Einzugs zahlreicher Ausländer« den »Mangel an preiswerten Wohnungen, Schwierigkeiten mit einer großen Anzahl ausländischer Schüler in Grund- und Hauptschulen, eine Zunahme von Verbrechen in ihren Wohnvierteln und die allgemeine Überfremdung« benennt.

Sein zentrales Thema aber ist Israel. In Lewans Veröffentlichungen zu Maßnahmen des israelischen Staates gegen Palästinenser heißt es, Israel habe sich bei der Durchsetzung seiner politischen Interessen gegen die Palästinenser illegitimer Mittel bedient. Dies seien unter anderem »Angriffe auf Siedlungen, psychologische Kriegsführung oder andere Maßnahmen von der jüdischen Seite, wie etwa die Unterbrechung von Lebensmittellieferungen und das Verwüsten von Ernten« gewesen.

In einer Rezension eines Buches des FAZ-Nahostberichterstatters Wolfgang Günter Lerch stellte Lewan positiv heraus, dass dieser darum bemüht sei, »die Vielfalt des Islam darzustellen«. Lewan macht sich die Ausführungen Lerchs zu Eigen und spitzt sie in einigen Punkten noch zu. Die »feindliche Haltung in der islamischen Welt gegenüber dem Westen« sei auf »das Verhalten der USA zurückzuführen«, womit im Wesentlichen die »Ungleichbehandlung der arabisch/islamischen Welt zugunsten Israels« gemeint ist.

Diese angebliche Ungleichbehandlung habe den Aufstieg jener politischen Ideologeme gefördert, die unter das Stichwort »Islamismus« gefasst würden. Während Israel »Massenvernichtungsmittel besitzen und Menschenrechte grob verletzen« dürfe, würden arabische Staaten für ähnliche Verhaltensweisen »mit Sanktionen überhäuft«. Weil Lerch in seiner Interpretation noch nicht weit genug geht, hilft Lewan bei den Begründungen nach: Neben der »mangelnden Kenntnis arabischer Kultur seitens der politischen Führungskräfte im Westen« sei vor allem der »Einfluss der Unterstützer Israels in den USA, vor allem jüdischer Verbände, auf die amerikanische Regierung und den Kongress« der Grund für die vermeintliche Benachteiligung der »islamischen Welt«, so Lewan.

Auch in den USA sieht Lewan Benachteiligungen: »Warum soll die Nation jetzt die Schuld der Vorväter auf sich laden?« fragte er in einem JF-Artikel zur Weigerung von Bill Clinton, im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Sklaverei ein »Reuebekenntnis gegenüber Schwarzen« auszusprechen.

Dass das Gerede um die »Schuld der Vorväter« in Deutschland in einem anderen Kontext steht, weiß auch Lewan. »Auschwitz soll das Selbstwertgefühl des deutschen Volkes beeinträchtigen« lautete die Überschrift eines Kommentars Lewans zur Walser-Debatte. Es ist kein Zufall, dass dieser Kommentar 1999 in der von Alfred Mechtersheimer herausgegebenen Zeitschrift Frieden 2000 - Nachrichten für die Deutschland-Bewegung erschien. Schließlich fungiert Lewan als zweiter Vorsitzender des von Mechtersheimer geführten deutschnationalen Arbeitskreises Unsere Sprache (Arkus) der Stiftung Unser Land.

So kommt denn auch Robert Erlinghagen in seinem Beitrag im Argument zu der Einschätzung, dass Lewan ein »Vertreter rechtsextremen Gedankenguts« sei und in seinen Artikeln »offen für eine Entkopplung des Geschichtsrevisionismus von jeglichem Antisemitismusvorwurf« eintrete.

Lewan ist auch in anderen Publikationen mit einem linken Selbstverständnis kein Unbekannter. Seit Jahren schreibt er für vorgänge - Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, einer Publikation, die Ansätze einer bürgerrechtsbewegten Sozialwissenschaft formuliert. Zur Redaktion der vorgänge zählen kritische Wissenschaftler wie der Rechtsextremismusforscher Eike Hennig und der Politologe Jürgen Seifert.

Als die Redaktion der vorgänge vor geraumer Zeit auf Lewan hingewiesen wurde, blieben öffentliche Stellungnahmen aus. Das hat sich bis heute - trotz der jetzt im Argument begonnenen selbstkritischen Diskussion um rechte Autoren in linken Diskussionsforen - nicht geändert.