Bumbumbum

Deutschlands Fernsehkritiker sind begeistert von Anke Engelke. Reinhard Mohr beeindruckte vor allem ihre subtile Differenzierung von Gestik und Mimik.

Die Anke-Engelke-Festwoche ist leider schon vorbei. Eine Unmenge wichtiger Informationen wurde über den Zeitungsleser ausgeschüttet, und wenn nun einer daherkommt und behauptet, er habe das alles gar nicht wissen wollen, so lügt er wider die Wahrheit. Denn obwohl man nun weiß, dass sie eigentlich ganz bescheiden ist, sich manchmal fühlt wie eine Siebzehnjährige, dass sie Eselsohren in ihre Bücher macht und dass sie zwar ledig ist, aber trotzdem einen Ehemann hat, bleiben doch noch einige Fragen unbeantwortet: Kann sie kochen? Macht sie Fitness lieber als Shopping? Und wie findet sie eigentlich New York?

Die Premiere ihrer ersten eigenen Fernsehserie namens »Anke« war die Ursache zweier seitenlanger Interviews in Max und im stern, einer Topstory in der Woche und zahlloser, manchmal leicht ironischer Loblieder in der Tagespresse. Wer nun verlangt, man solle den Schwund doch erst einmal anschauen und nachher darüber schreiben, hat halt nicht begriffen, dass es längst nicht mehr um Fernsehkritik geht, sondern um den Medienstandort.

Vor Jahren erwog die Chefredaktion des Spiegel ein wöchentliches Rubbelbingo mit vielen tollen Preisen, beschloss zunächst aber nur, dass im Kulturressort fortan alles gut sei. Guildo Horn, Stefan Raab, Harald Schmidt, die Volkstrauer um Diana, ja selbst die Busenbilder in der Bild - alles gut und richtig oder doch wenigstens Kult. Und wer sich bemühte, komisch zu sein, der war auch komisch. Nun durfte Reinhard Mohr endlich seiner Neigung zu Anke Engelke nachgeben, die ihm in der »Wochenshow« erschienen war: »Ob als breitbeinig hingefläzte Bordellköchin aus Essen, die in 'Sex TV' aufs ordinärste über 'Hühnerfickassee', 'Lümmeltütensuppe' und 'Königsberger Möpse' schwadroniert, als Parodistin des hemmungslosen Teenie-Schwachsinns im extremkurzen Plastik-Mini ('Ricky's Popsofa') oder als exzentrische Wetterfee - 'Aufpassen in Bottrop! Wetter wird scheiße!' - Anke Engelke ist ein scharfer Feger. Äußerliche Attraktivität und der Geist der Satire, seit Karl Valentin und Liesl Karlstadt eher Antipoden, sorgen bei ihr für humoristische Synergieeffekte.«

Denn die Lümmeltütensuppe, schrieb Mohr 1998 im Spiegel, war einfach »zum Schreien komisch«. Anke Engelke verfüge »tatsächlich über komödiantisches Naturtalent, Leidenschaft und eine subtile Differenzierung von Mimik und Gestik«. Dieses letzte Urteil, immerhin, lässt sich kaum bestreiten: Mimik macht sie meistens mit dem Gesicht und Gestik mit den Händen.

»Deshalb ist Anke Engelke eine ausgewachsene satirische Begabung, wie es, jedenfalls unter Frauen, wenige gibt in Deutschland.« Neulich stieg sie sogar zur »TV-Zynikerin« auf, seitdem verkörpert sie »das aufgeklärte falsche Bewusstsein«, wie es der Philosoph Sloterdijk beschrieb, und der »Wochenshow« gelingt es, »Ideologien zu zersetzen, indem man sie vorführt und dem Lachen preisgibt«. Mohrs Bewunderung aber war mit dem allgemeinen Kritikverbot nicht mehr zu erklären und mit Ankes mittelprächtigem Talent erst recht nicht. Es musste doch wohl die Liebe sein.

Was mag Reinhard Mohr empfunden haben, als ihm am letzten Mittwoch folgende Schlagzeile von der ersten Seite der B.Z. entgegensprang: »Nackte Anke Sexgeständnis»? Und als er neben dem Hinweis »(letzte Seite)« endlich ihre Brüste sah, was hat er gefühlt? Nun hielt er zwar endlich den Beweis in Händen, dass auch Anke, wenn sie sich ausgezogen hat, vollkommen nackt ist, und ihr vorletztes Geheimnis wurde ihm endlich offenbar, zugleich aber bot es sich Millionen anderer Männer für ein paar Groschen feil. Das tat weh. Trotzdem wird er für eine Sekunde auch an das Schönste gedacht haben, das zwei Liebende einander antun. Heinrich Böll hatte es einst »das Unabänderliche« genannt, und die B.Z. hatte jüngst ein zeitgemäßes, aber nicht minder poetisches Wort gefunden: Ein Nashornbulle sei in den Berliner Zoo eingeflogen worden, und zwar »nur fürs Bumbumbum«. Und was hatte es wohl mit Ankes Sexgeständnis auf sich? Betrog sie ihn etwa mit ihrem Ehemann? Während er die Zeitung umwendete, beschloss Reinhard Mohr, den Seitensprung zu verzeihen.

»Nein, nein, nein. Falsch gedacht! Schade zwar, aber falsch«, las er zu seinem Erstaunen nun auf der letzten Seite. »Dieses Foto von Deutschlands komischster Fernsehfrau ist eine Fotomontage. Anke Engelke (33, 'Wochenshow') ist nur scheinbar nackt.« Einen Fremdbusen hatte man ihr einmontiert und unters Hemd gelogen, um ihn sodann lüstern zu entblößen. Und von einem Sexgeständnis war plötzlich keine Rede mehr. Stattdessen fand sich nur die rätselhafte Andeutung, sie habe sich vor Jahren in ihren ersten Job hineingef ... »Auf die Frage, warum sie einmal gesagt habe, dass sie sich in ihre Band gef ... habe, antwortet sie in Max: 'Weil es so war. Wir sind da unten an der Bühne gestanden, meine Schwester und ich, und wir haben uns überlegt: Wie kommen wir in die Band?'« Was mochte das bedeuten? Vielleicht hatte sie sich um ein paar Jahre älter gemacht oder irgendwelche verwandtschaftlichen Beziehungen zur Musikindustrie erfunden. Na und? Auch er selbst, Reinhard Mohr, hatte sich ja mit allerhand intellektueller Aufschneiderei in die Spiegel-Redaktion hineingef ... Dass die B.Z. das böse Wort durch schamhafte Pünktchen ersetzte, war nicht schwer zu verstehen: Wo das Flunkern Methode ist, darf es nicht zum Thema werden.

Wenn Reinhard und Anke einander doch noch finden, und die B.Z. bemerkt ein Tripelbum oder wenigstens ein wiederholtes Bumbum, dann erinnert sie gewiss auch an das historische Vorbild einer solchen Vermählung von männlichem Geist und weiblicher Schönheit: 1956 heirateten Arthur Miller und Marilyn Monroe. Die Ehe dauerte ein paar Jahre, bis der amtierende Präsident sich einschaltete. Dessen Part vermöchte heutzutage nur einer überzeugend auszufüllen. »Rück zur Seite, hier kommt dein Bundesaußenminister«, würde Joseph Fischer sagen, wenn er in Ankes Bett plumpste.

Klaglos würde Mohr dem bewunderten Staatsmann weichen. Damit aber wäre der historischen Analogie noch immer nicht Genüge getan. Denn das Dreieck war bekanntlich ein Quartett, und es hieß: Miller-Monroe-Kennedy-DiMaggio. Also wäre, um unser aller Glück zu vollenden, Lothar Matthäus gefragt. Ersatzweise Mario Basler.