Common und Jeru The Damaja

Die Panther und der Löwe

Damit sich alles ändert, hat sich Common viele Freunde gesucht, damit alles bleibt wie es ist, kämpft Jeru The Damaja alleine.

Eines der wichtigsten Dinge im HipHop ist die eigene Posse. Die Jungs, mit denen man zur Schule gegangen ist, mit denen man die Vorliebe für bestimmte Turnschuh-Marken oder Schallplattenläden teilt, die Jungs, die mit einem abhängen und die einem die Joints bauen. So sieht es zumindest in der Frühphase einer Rapper-Karriere aus, und je länger sie dauert, desto wichtiger werden die Leute, mit denen man sich umgibt. Andere Rapper kommen dazu, Produzenten, Leute aus dem Business, Dealer, auf die Verlass ist, Groupies in jeder Stadt, das volle Programm. All diese Menschen sind nicht nur wichtig für die soziale Rückkoppelung, man braucht sie auch, damit man aus der Gruppe hervortreten kann, um zu sagen, was man zu sagen hat, und danach wieder in sie zurückzutreten.

Auf der Rückseite von »Like Water For Chocolate«, dem neuen Album von Common, grüßt dieser buchstäblich Hunderte von friends & allys, jeder Gruß ist versehen mit einer kleinen Bemerkung. Nimmt man »Heroz 4 Hire« zur Hand, das neue Album von Jeru The Damaja, sucht man vergeblich nach irgendwelchen Eintragungen, Jeru grüßt nur sich selbst.

Das war einmal anders. Beide begannen ungefähr zur gleichen Zeit ihre Karriere, in den frühen Neunzigern. Common nannte sich damals noch Common Sense, sorgte für kein besonders großes Aufsehen, sondern war einer der zahllosen Rapper, die auf den Marktplatz spaziert kamen, einer von denen, für die sich vor allem HipHop-Aficionados interessierten. Jeru dagegen hing mit Gang Starr ab, den Gralshütern des HipHop mit Anbindung an die Archive der afro-amerikanischen Popkultur; und DJ Premier, das Gang-Starr-Mastermind, zeichnete für die Produktion seiner Platten verantwortlich.

Heute muss Jeru alles alleine machen, während Common sich mit den Soulquarians zusammen getan hat, der Posse rund um den Sänger D'Angelo und den Roots-Drummer ?uestlove, den Musikern, die gerade an der Zukunft der schwarzen Musik werkeln und sich dafür im Electric Lady Studio in New York breitgemacht haben, den Räumlichkeiten, wo Jimi Hendrix sein »Electric Ladyland« einspielte und heute die Katzen Jimi heißen und die Cats Marvin-Gaye-Bilder neben ihre Instrumente hängen.

Die Soulquarians versuchen sich an der Neudefinition von HipHop als Soulfunk. Wenn HipHop bisher davon bestimmt wurde, alte Samples durch die Mühlen zu drehen - erst bekannte Funk-Samples, dann unbekanntere, dann den Achtziger-Pop -, haben die Soulquarians sich davon verabschiedet und versuchen stattdessen, einen bestimmten Vibe nachzubauen. Mit Retro hat das wenig zu tun, diese Musik verhält sich zu dem Funk der frühen Siebziger eher so wie Charles Mingus' Jazz Composers' Workshop in den späten Fünfzigern zum New Orleans Jazz der zehner und zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Ähnlich wie Mingus versuchte, Elemente der kollektiven Improvisation in den Bebop einzuführen, so versuchen Common und die Soulquarians den Geist der großen Würfe des Soulfunk der frühen Siebziger, diese Verschmelzung von Politik, Groove und Eleganz, in die Gegenwart zu holen.

Nicht zuletzt Politik. Eins der Stücke - »A Song For Assata« - ist eine Hommage an die Panther-Aktivistin Assata Shakur - einer Tante von Tupac -, die seit zehn Jahren im kubanischen Exil lebt, weil sie in den USA wegen Mordes an einem Polizisten gesucht wird, weshalb der Gouverneur von New Jersey vor einigen Monaten noch einmal das Kopfgeld erhöhte.

So kalkuliert das aussehen mag, Common geht es tatsächlich darum, HipHop noch einmal als Counterculture zu definieren und politisch in Stellung zu bringen. Ohne die militante Pose, die Public Enemy benutzten, sondern durch Rekurs auf die Geschichte und durch Neueinstudieren eines alten Sound. Und auch dadurch, dass er der einzige US-amerikanische Rapper war, der im vergangenen Herbst tatsächlich den Weg nach Havanna fand, um an der 5. Nationalen HipHop-Konferenz teilzunehmen, die dort unter der Schirmherrschaft von Fidel Castro stattfand. Eine Konferenz, zu der sich die Gemeinde der exilierten Black Panther-Kämpfer gemeinsam mit kubanischen Jugendlichen versammelte, die stolz ihre T-Shirts mit Logos von US-amerikanischen Football-Mannschaften zur Schau stellten.

Und wenn Common in dem Stück »Dooinit« beiläufig Sätze fallen lässt wie den, dass andere Rapper »droppin' back to back LP's that sound the same«, hat das zwar auch etwas von dem Stolz darauf, sich mit seinem Sound auf der Höhe der Zeit zu befinden und sich von Platte zu Platte weiterentwickelt zu haben, es trifft aber auch genau auf Rapper wie Jeru The Damaja zu.

Denn während Common so wächst und wächst, ist Jeru The Damaja in einem konstanten Prozess der Schrumpfung begriffen. Im Grunde geht es ihm um ganz Ähnliches wie Common, nur fehlen ihm die Mittel, es durchzusetzen. Auf seinen ersten beiden Alben - »The Sun Rises In the East« und »Wrath Of the Math« - ergänzte sich Jerus aggressiv-eleganter Rapstil perfekt mit DJ Premiers Kunst des Übereinanderschichtens von Beats und Samples, die beiden ließen tatsächlich für eine Saison die Sonne aufgehen. Hell leuchtete die Hoffnung, Straßenweisheiten, Black Consciousness, Funksamples aus den Siebzigern und Vegetarier-Sein könnten eine Allianz eingehen.

Doch dann ließen Gang Starr ihren Schützling fallen, was Jeru ihnen nicht verzieh. Auf einer Maxi bezichtigte er sie des Verrats an der Freundschaft, worauf Gang Starr auf ihrem letzten Album mit einer Lektion antworteten, jeder, der nicht völlig vernagelt sei, könne Business und Freundschaft trennen. Premier produziert heute lieber Stücke von D'Angelo oder Common. So etwas überlebt eigentlich niemand. Wer Streit anfängt, muss ihn gewinnen - wer eine Battle verliert, verschwindet normalerweise. Das ist das historische Erbe der HipHop-Straßen-Codes.

Zwei Jahre nach dem Bruch ist Jeru wieder da. Anstatt sich in die Hände eines anderen Produzenten zu begeben, setzt er den Erwartungen, alleine könne er nichts zu Stande bringen, ein trotziges Selbermachen entgegen. Nichts drauf geben, was die anderen sagen, machen, was man für richtig hält und all das ganz alleine. Die Stücke selber schreiben, die Musik selber produzieren, das Video selber machen und das Ganze auf einem eigenen Label herausbringen. Und um all das noch zu unterstreichen, erfindet er sich selbst noch als Superheld neu. Das Platten-Cover ziert eine Comic-Zeichnung, wo Jeru, eingehüllt in einen Umhang in den Farben Afrikas, auf dem Rücken eines Löwen sitzt und ein Ninja-Schwert aus der Scheide zieht.

Jeru versucht, genau da weiter zu machen, wo er aufhörte, als die Zusammenarbeit mit Gang Starr in die Brüche ging. Das geht bis in die Details. Gesamplete Streicher und Bläsersätze, hier und da auch ein Piano und ein Scratch. Das soll klingen wie Gang Starr, tut es aber nicht wirklich. Es gibt sogar Fortsetzungen von Stücken der vergangenen Platten. Jeru nimmt etwa das Motiv des perfekten Tages wieder auf, des Tages, an dem niemand erschossen wird, Rodney King Millionär ist, Mike Tyson noch immer der Champ, New York einen anderen Bürgermeister hat und keine Crackbabys auf der Straße sitzen. Gerappt mit jener raren Mischung aus Wut und abgeklärter Schönheit. »Heroz 4 Hire« lebt vor allem von Jerus Stimme.

All das ist nicht frei von Tragik. Da ist jemand, der rappen kann wie nur ganz wenige, jemand aus der Liga von Method Man oder Nas, und weil er von seinem kongenialen Partner abgeschnitten worden ist, muss er nun alles selber machen. Doch für jemanden, der es auf einen Neueintrag auf der HipHop-Straßenkarte abgesehen hat, und zwar einen, der ihn jetzt auch als eine der großen Einzelgänger neben KRS-One oder Schooly D ausweist, gibt es keinen anderen Weg, als darauf zu bestehen, schon immer alles richtig gemacht zu haben, mit Posse oder alleine.

Common: »Like Water For Chocolate«. MCA (Universal)
Jeru The Damaja: »Heroz 4 Hire«. Knowsavage (Indigo)