Brandenburger Hof

Die Anzahl fremdenfeindlicher Gewalttaten in Brandenburg hat im vergangenen Jahr einen neuen Höhepunkt erreicht. Wie Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am 12. Mai mitteilte, kam es 1999 zu 62 Vorfällen gegenüber 48 im Vorjahr. Dabei fehlt in der Statistik die folgenschwerste Tat des vergangenen Jahres, die tödliche Hetzjagd auf den Algerier Farid Guendoul in Guben. Der Verfassungsschutz könne diese erst einordnen, wenn in der Sache ein Urteil ergangen sei, begründete Behördenchef Heiner Wegesin die Auslassung. Nach dem Brandanschlag auf einen Döner-Imbiss in Wittstock (Brandenburg) hat das Landgericht Neuruppin am 12. Mai die Haftstrafe gegen den 17jährigen Haupttäter nahedzu verdoppelt. Die Richter befanden in der Neuauflage des Prozesses auf ein Strafmaß von sechs Jahren wegen versuchten Mordes. Der Schüler hatte im Februar 1999 wegen einer 50-Mark-Wette mit Gleichaltrigen einen Molotow-Cocktail in das zweistöckige Wohn- und Geschäftshaus geworfen. Zwei Menschen wurden verletzt. Das Gebäude wurde völlig zerstört. Gut drei Wochen nach dem Angriff auf einen 27jährigen Asylbewerber in Neustadt/Dosse (Brandenburg) ist in der vergangenen Woche Haftbefehl gegen zwei Tatverdächtige erlassen worden. Die beiden 20 und 29 Jahre alten Deutschen sollen am 16. April aus einer Gruppe heraus den Afrikaner beleidigt und ihm mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen haben. Die beiden sind bereits mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. In der Nacht zum 8. Mai haben Unbekannte in Güterfelde (Brandenburg) ein Ehrenmal für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen sowjetischen Soldaten geschändet. Sie überklebten die russische Inschrift auf der Vorderfront des Obelisken mit einem etwa 70 mal 70 Zentimeter großen Hakenkreuz aus Sperrholz. Außerdem wurden eine Gedenkaufschrift für gefallene deutsche Soldaten und ein ebenfalls aus Sperrholz gefertigtes Eisernes Kreuz an dem Obelisken angebracht. In einem an dem Ehrenmal aufgefundenen Schreiben bekennt sich eine »Nationale Bewegung« zu der Tat. Auf die Wohnung einer vietnamesischen Familie in Belzig (Brandenburg) ist am 7. Mai ein Brandanschlag verübt worden. Gegen die beiden Hauptverdächtigen, einen 17 Jahre alten Schüler und einen 23jährigen Arbeitslosen, erließ die Staatsanwaltschaft Haftbefehl. Die Untersuchungen ergaben, dass bereits vor dem Anschlag Unbekannte vor der Wohnung der vietnamesischen Familie im Erdgeschoss gegen die Balkonverkleidung getreten und ausländerfeindliche Parolen gegrölt hatten. Nach Angaben der Polizei warfen die Täter eine mit Brandbeschleuniger gefüllte Flasche gegen das angeklappte Fenster der Wohnung. Zu dem Zeitpunkt hielten sich hier fünf Menschen auf, verletzt wurde aber niemand. Zwei Jugendliche haben am 6. Mai in Frankfurt/Oder (Brandenburg) einen polnischen Studenten und wenige Stunden später zwei afghanische Asylbewerber angegriffen. Nach Angaben der Polizei waren die 17 und 18 Jahre alten Tatverdächtigen im Stadtzentrum mit Knüppeln auf die beiden Afghanen losgegangen. Die Opfer zogen sich dabei Schürfwunden und Prellungen zu und mussten im Krankenhaus ambulant behandelt werden. Mit einem Schreiben an Bundesregierung, Bundestag und andere Bundesorgane haben 116 Asylbewerber aus Rathenow (Brandenburg) eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Deutschland gefordert. Solange sie weder Ausbildung noch Sprachunterricht erhielten, sie ihren Landkreis nicht verlassen dürften, in abgelegenen Wohnheimen lebten oder auch beim Einkaufen mit Gutscheinen auffielen, dürfe sich keiner wundern, wenn viele sie als »Bürger zweiter Klasse« betrachteten, so die Unterzeichner am 5. Mai.