Der Antifaschismus der sächsischen PDS

Treffpunkt Tanke

Die sächsische PDS verabschiedet sich Stück für Stück vom Antifaschismus. Wechselt nun ein ehemaliges NPD-Bundesvorstandsmitglied zu den Demokratischen Sozialisten?

Der Streit um das antifaschistische Verständnis der sächsischen PDS geht weiter. Nachdem Landesvorsitzender Peter Porsch sich gegen eine Antifa-Demo am 1. Mai in Grimma ausgesprochen hatte (Jungle World, 19/00) und dafür von jungen PDS-FunktionärInnen heftig kritisiert worden war, warf Porsch nun seinen Gegnern vor, gegen Neonazis bisher nichts »zu Stande gebracht« zu haben. Dass er damit ausgerechnet die Abgeordneten Matthias Gärtner, Falk Neubert und Angela Marquardt meinte, die seit Jahren am kontinuierlichsten gegen Rechtsextremismus arbeiten, kann nur als Attacke gegen die gesamte bisherige Antifa-Politik der PDS verstanden werden.

Porsch, der Antifa-Demos wie in Wurzen oder Grimma als »Demonstrations-Tourismus« denunziert, ist bekannt für sein zweifelhaftes Verständnis von Antifaschismus. Im Februar sorgte er für Aufsehen, als er demonstrativ in seine Heimat Österreich zum Ski-Urlaub fuhr und das ausdrücklich als Signal gegen den Österreich-Boykott verstanden wissen wollte.

Es gelte, so Porsch, Österreich nicht auszugrenzen, sondern das Gespräch zu suchen. Gespräche führen sollte man, laut Porsch, übrigens auch an sächsischen Tankstellen, wo sich bevorzugt Nazis herumtreiben. Man müsse dort mit den jungen Leuten reden, erklärte Porsch vor ein paar Monaten.

Porschs »offensiver Antifaschismus« sieht so aus: Der Rechtsextremismus komme aus der Mitte der Gesellschaft, und deshalb müsse er auch von dort aus bekämpft werden. Eine klare Absage an die autonome Antifa. Die reagierte denn auch »mit Bestürzung«. Antifas aus Görlitz und das Antifaschistische Rechercheteam Ostsachsen erklärten, die PDS sei nur dann eine antifaschistische Partei, wenn sie sich klar gegen Faschisten stelle, nicht wenn sie Ehrenmale für sowjetische Soldaten pflege. Das nämlich hatte Porsch in einer Presse-Erklärung gefordert. Dabei übersah er geflissentlich, dass die Rote Armee eben nicht aus der Mitte der deutschen Gesellschaft kam und jene Mitte nicht gerade wegen ihres heroischen Widerstands zwischen 1933 und 1945 bekannt geworden ist.

Die sächsische PDS ist bei Antifas in Verruf, seit die Dresdener Stadtvorsitzende Christine Ostrowski mit Nazi-Kadern ein Gespräch führte und dabei erfreut feststellte, dass ihre sozialen Forderungen identisch seien. Als bei einer PDS-Veranstaltung in Berlin Jugendliche lautstark gegen die Anwesenheit von Rechtsextremisten protestierten, erklärte Ostrowski, da sehe man ja, wer hier Krawall mache.

Die Antifa kritisiert zudem, dass der ehemalige Neues Deutschland-Redakteur Marcel Braumann, der auch schon mal Artikel für rechtsextreme Zeitungen schreibt, inzwischen Pressesprecher von Peter Porsch ist. Im Muldental ist zudem ein PDS-Mann Kreisgeschäftsführer, dem man freundschaftliche Beziehungen zur Wurzener NPD nachsagt. Dies kam zwar auch auf dem letzten PDS-Parteitag in Münster zur Sprache, führte aber nicht zu Konsequenzen. Eben jener Kreisgeschäftsführer hatte auch - zusammen mit der Muldentaler Kreisvorsitzenden Kerstin Köditz - vor rund zwei Jahren an einem Papier »Konzeption: PDS und Antifaschismus der PDS Sachsen« mitgearbeitet, in dem man sich strikt von der autonomen Antifa abgrenzte.

Auch im Landkreis Löbau / Zittau, einer rechten Hochburg in Ostsachsen, beklagen Antifas die Entwicklung der Partei. Nach mehreren brutalen Überfällen von Rechtsradikalen auf Andersdenkende in der Region wurde Ende letzten Jahres die Forderung nach einem Runden Tisch gegen Gewalt immer lauter. Geäußert u.a. von Gregor Janik, bis vor kurzem Mitglied im Bundesvorstand der NPD und Rechtsanwalt in Zittau. Als Partner fand er einen Stadtrat der PDS und einen der SPD.

Auf Janiks Initiative luden sie Anfang Februar zu einem ersten Treffen ein. Als Moderatorinnen wurden zwei Professorinnen der lokalen Fachhochschule angesprochen. Nachdem diese jedoch erfahren hatten, wer hinter der Einladung steckte, lehnten sie ab. Mit Nazis wollten sie nicht diskutieren. Aus diesem Grund fiel die geplante Veranstaltung vorerst ins Wasser.

Einen zweiten Versuch machte ein Kreisrat der FDP-DSU-Fraktion, Chrisfried Wiedemuth. Dabei lud er »alle politischen Gruppierungen des Kreises« ein. Anfang April fand nun das konstituierende Treffen statt. Neben Reinhard Boos, dem Präsidenten des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, nahmen Vertreter der SPD, der PDS, der Kreisvorsitzende der NPD, Torsten Hiekisch, und Gregor Janik teil.

Obwohl Boos deutlich machte, dass es 1999 im Landkreis lediglich vier linke, aber 63 rechte Straftaten gab, einigten sich die Teilnehmer darauf, den Runden Tisch gegen jede Art von Gewalt und nicht explizit gegen Rechts auszurichten. Der nächste Runde Tisch soll Anfang Juni in Zittau stattfinden und das Thema »Rechte Gewalt« haben. Auf die Frage, ob dabei auch die NPD teilnehmen könne, äußerte eine PDS-Vertreterin: »Es ist eine öffentliche Veranstaltung. Da kann niemand ausgeschlossen werden.«

Überhaupt scheint es bei der PDS Zittau einen gewissen Drang zu geben, sich mit Nazis auseinander zu setzen. Mitte April meldete sich Gregor Janik bei der PDS und äußerte den Wunsch nach einem Gespräch, welches ihm auch prompt gewährt wurde. Er behauptete, kurz zuvor die NPD verlassen und seine Ämter niedergelegt zu haben, da er sich mit den Zielen der Partei nicht mehr verbunden fühle. Er sei zwar noch immer nationaler Sozialist, könne jedoch die militante Schiene des Bundesvorsitzenden Udo Voigt nicht mehr unterstützen. Daher suche er eine neue politische Heimat. Zum Beweis seiner Aufrichtigkeit bot er der PDS gleich Teile seines Archivs an, darunter ältere Jahrgänge der Deutschen Stimme, der Staatsbriefe und ein Briefwechsel mit Nazi-Terrorist Manfred Roeder. Einzelne PDSler hatten sich bereits Anfang Februar mit Janik getroffen, als ihm angeblich die ersten Zweifel über seine politische Heimat gekommen waren.

Wie um zu zeigen, wie willkommen er in der PDS-Familie ist, wurde er auch gleich zu den offiziellen Feierlichkeiten der PDS Sachsen zum 1. Mai in Hoyerswerda mitgenommen. Janik reiste dabei ungestört mit den Genossen in einem Fahrzeug der PDS des Landkreises.

In Presse-Erklärungen und Offenen Briefen haben sich inzwischen verschiedene PDS-Politiker vom Kurs der sächsischen Genossen distanziert. Die Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt und der Landtagsabgeordnete Falk Neubert warfen Porsch vor, dem antifaschistischen Ansehen der PDS massiv zu schaden. Es sei »beschämend, wie die PDS in Sachsen die Solidarität mit Antifaschisten aufkündigt«.

Auch Matthias Gärtner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der PDS in Sachsen-Anhalt, kritisierte, dass Porsch antifaschistische Aktionsformen pauschal diskreditiere. Verschiedene Antifa-Gruppen kündigten an, künftig enger mit den Grünen zusammenarbeiten zu wollen. Dies war schon bei der Demo gegen den NPD-Aufmarsch in Grimma am 1. Mai der Fall, als sich die sächsische PDS von der Antifa-Demo distanzierte, der Landes- und der Kreisvorstand der Grünen sich jedoch solidarisch erklärten. In Sachsen übrigens zum ersten Mal.