Rudolf Scharping verteidigt den Hufeisen-Plan

Sein bester Witz

Was der Rudolf Scharping eigentlich für einer ist, wollte man so genau vielleicht gar nicht wissen. Der Mediengesellschaft, die sich nicht wehren kann, sagt er's aber trotzdem und hört und hört nicht damit auf. Vor Jahren, als er noch nicht Minister war, brachte er den Menschen hinterm Vollbart an den Tag. Und das war schon mehr, als man ertragen mochte. Wenig später begab Scharping sich in die »Harald-Schmidt-Show«. Dort müsse man witzig sein, so hatte man ihn gebrieft, zu einem Witz reiche aber oft ein einziges Wort. Scharping sprach von seiner Leidenschaft für die Tour de France.

Einmal habe er im Auto des Trainers der Telekom-Mannschaft mitfahren dürfen. Er habe im Fond gesessen, der Trainer auf dem Beifahrersitz. Neben ihm, Scharping, habe ein Beutel mit Nahrungsmitteln gelegen. Und da habe der Trainer zu ihm gesagt: Rudi, reich doch mal den Sack rüber! Und da habe er, Scharping, geantwortet: Welchen Sack meinst du denn?

Das war nun natürlich megahöhö und ein Spitzen-Witz. »Sack« ist, jedenfalls bei Harald Schmidt, fast immer komisch. Entsprechend erwartungsfroh grinste Scharping ins Publikum. Zu seiner Verblüffung wurde der Anbiederungsversuch abgewehrt. Niemand wollte lachen, und allein Harald Schmidt zwang sich mit sichtbarer Mühe zu einem Lächeln, das ob der Peinlichkeit der Situation misslingen musste. Selbst Halbidioten, durfte man seitdem hoffen, erkennen manchmal einen Halbidioten, wenn sie ihn sehen, und möchten dann doch lieber nicht von ihm regiert werden.

Neulich trug Scharping seinen längst wieder ministrablen Sack nach Mainz zu den alljährlichen »Tagen der Fernsehkritik«. Das Fernsehen kritisierte die Berichterstattung vom Krieg der Nato gegen Jugoslawien, der auch Scharping allerhand Material geliefert hatte: den »Hufeisen-Plan«, das Konzentrationslager im Stadion von Pristina, diverse weitere »Internierungs- und Konzentrationslager« sowie »ganze Täler«, die von den Serben abgesperrt worden seien, »um dort Menschen festzuhalten und sie verhungern zu lassen«.

Inzwischen weiß wohl jeder, dass von alledem aber auch gar nichts stimmte, und der Letzte, der seine Lügen immer noch glaubt, ist der Minister Scharping selbst. Ob er denn während des Krieges nicht wenigstens ein einziges Mal einer Fehlinformation aufgesessen sei und sie womöglich verbreitet habe, wurde er vom Chefredakteur des ZDF gefragt. Nein, nie! Wer aber glaubte, jetzt endlich müsse das Gelächter losbrechen, das Scharping bei Harald Schmidt erwartet hatte, kennt unsere Journalisten schlecht.

Scharping durfte sogar noch einmal die sattsam bekannte Schmonzette von der Begegnung Joschka Fischers mit Slobodan Milosevic auftischen. Milosevic habe ihn angeschaut, so berichtete Fischer, als wolle er ihm sagen: Ich kann über Leichen gehen und Ihr nicht! Scharping erzählte den anwesenden kritischen Journalisten nun noch einmal die revidierte Version dieser Anekdote: »Milosevic sagte zu unserem Außenminister Fischer: Ich kann über Leichen gehen und Ihr nicht!« Damit habe er ja praktisch alles zugegeben. Und noch immer lachte niemand. Denn die Frage, ob wir von Idioten oder Lügnern regiert werden, kratzt offensichtlich keinen Sack.