Deutsch-kubanische Beziehungen

Von Cohibas eingewickelt

Millionen-Erlasse, Hermes-Bürgschaften und Öko-Projekte stellen die deutsch-kubanischen Beziehungen auf kapitalistische Grundlagen.

Die Bundesrepublik hat sich Zeit gelassen. Mit dem ersten Besuch einer Bundesministerin in Kuba seit der Revolution von 1959 hat nun auch die BRD den kalten Krieg mit der sozialistischen Regierung in Havanna beendet.

Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), gilt bestimmt nicht als Fan der rot-grünen Regierung in Berlin, aber dieser Tage hat sie seine ganze Unterstützung gegen konservative Kritiker. Henkel, der vor knapp einem Jahr Havanna besuchte und Kontakte zu Fidel Castro und kubanischen Wirtschafts-Comandantes knüpfte, begrüßt die Neuorientierung der deutschen Außenpolitik in Sachen Kuba und hat hinter den Kulissen sicherlich auch seinen Teil dazu beigetragen.

Diese Neuorientierung manifestiert sich im Besuch von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die den Start der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Kuba persönlich besiegeln will. Elf Millionen Mark wird ihr Ministerium in den nächsten zehn Jahren zur Verfügung stellen, um Erosion, Versalzung und Wüstenbildung im Osten der Insel, rund um den Rio Cauto, zu bekämpfen.

Das ist zwar kein Mammut-Projekt, aber ein Beleg für den zunehmenden Pragmatismus, der in die deutsch-kubanischen Beziehungen eingekehrt ist. Der eigentliche Durchbruch in Richtung dieses neuen Pragmatismus liegt allerdings schon einige Wochen zurück. Mitte März kam Kubas oberster Wirtschaftsplaner Carlos Lage Dávila nach Deutschland, um die Verhandlungen über kubanische Altschulden voranzubringen. Dabei handelt es sich vor allem um Schulden, die die Bundesrepublik von der ehemaligen DDR geerbt hat und die dann in D-Mark umgerechnet wurden. Nicht nur das Umrechnungsverfahren, sondern auch die fristlose Kündigung sämtlicher damals laufenden Verträge mit der DDR hatten die Kubaner kritisiert, da ihnen dadurch zusätzliche Kosten entstanden.

Nun scheinen sich beide Seiten auf einen Kompromiss verständigt zu haben. 700 Millionen Mark Kredit sollen umgeschuldet, weitere 230 Millionen Mark ganz erlassen werden. Voraussichtlich Ende Juni soll das Abkommen unterzeichnet werden. Danach, so Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, stünde der Wiederaufnahme von Hermes-Bürgschaften für Exporte nach Kuba nichts mehr im Wege.

Diese Bundes-Bürgschaften sind auch die Voraussetzung für eine langfristige Intensivierung der Handelsbeziehungen zwischen der Karibikinsel und der BRD. Sie bilden eine Art Sicherheitsnetz für die deutschen Exporteure, da für Außenstände die Bundesregierung gerade steht. Bisher hielten sich deutsche Unternehmer beim boomenden Kuba-Geschäft zurück und überließen der EU-Konkurrenz, Kanada und lateinamerikanischen Firmen das Feld. Anders als britische oder spanische Unternehmen konnten sie sich nicht auf staatliche Bürgschaften verlassen. Für den BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel ist Kuba spätestens seit seinem Besuch im Vorjahr ein Markt, den die deutschen Unternehmer nicht weiter vernachlässigen dürften.

Ohnehin wurde in Großbritannien, Spanien, Frankreich oder Kanada wesentlich mehr Pragmatismus und Weitsicht an den Tag gelegt als in Deutschland. Unternehmen aus diesen Staaten agieren seit Jahren in Kuba, haben in Bergbau, Tourismus und Tabak investiert und setzen auf den kubanischen Markt als Sprungbrett nach Mittelamerika. Rund drei Milliarden US-Dollar hat die Regierung Castro in den vergangenen zehn Jahren über Joint Ventures in den wachsenden Markt Kubas geholt: Um 6,2 Prozent stieg das Wirtschaftswachstum letztes Jahr, für das laufende Jahr wird mit vier bis fünf Prozent gerechnet - die Zeichen stehen auf Erholung.

Kooperationsmöglichkeiten bieten sich aus deutscher Sicht im boomenden Tourismussektor, aber auch bei der Erneuerung des maroden Transportsystems, vor allem der Eisenbahn. Bereits Mitte der neunziger Jahre knüpfte Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe Kontakte, um den Verkauf von Waggons und Loks zu verhandeln. Damals wurden sich aber beide Seiten bei der Finanzierung des Deals nicht einig. Das könnte sich mit den Hermes-Bürgschaften ändern.

Aber auch die Kubaner haben den Deutschen einiges zu bieten. Im Bereich der bio-technologischen Forschung gehören sie in einigen Sparten zur Weltspitze, wie das Joint Venture mit dem Pharma-Riesen SmithKline Beecham zur Kommerzialisierung des Meningitis-B-Impfstoffs zeigt. Fachleute attestieren Kuba Forschungskapazitäten, die sich hinter jenen der hochentwickelten Industrieländer nicht zu verstecken brauchen. Das haben auch die Verantwortlichen im Bundesministerium für Bildung und Forschung erkannt, die in diesem Bereich ein großes Kooperations-Potenzial sehen, wie der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen der kubanischen Tageszeitung Granma erklärte.

Deutschen Investoren könnte dabei zugute kommen, dass US-amerikanische Unternehmen zwar liebend gerne kooperieren würden, aber wegen des Handels-Embargos und des Helms-Burton-Gesetzes nicht dürfen. Mehr als Vorverträge können sie nicht unterzeichnen, und auch die Initiative des US-Senats zur Aufhebung des Embargos, die Anfang Mai im Haushalts-Ausschuss eingebracht wurde, dürfte ergebnislos verlaufen. Zu eindeutig sind die Mehrheits-Verhältnisse in Kongress und Senat, als dass der Wunsch der Wirtschaftslobbyisten Gehör finden könnte. Statt das große Geschäft vor der eigenen Haustür abzuschließen, machen es die Nachbarn wie Kanada und Mexiko oder die Europäer.

Für Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul ist ihre Reise nach Kuba ohnehin »ein Signal gegen den Boykott«. Der Boykott habe die Abwehr-Tendenz in Kuba verstärkt, sagte sie Anfang Mai der Financial Times Deutschland. Eine Position, der auch Bundeskanzler Gerhard Schröder zustimmen dürfte. Als Ministerpräsident von Niedersachsen besuchte er Mitte der neunziger Jahre mehrmals Kuba. Castro hat Schröder damals, so heißt es, die Cohiba schmackhaft gemacht. Und ein Kistchen der Edelzigarren dürfte Kubas maximo l'der die Neuorientierung der deutschen Politik schon wert sein - Schröder wird sich freuen.