»Romeo Must Die«

Relax! Geh raus, sei sexy!

»Romeo Must Die« verspricht die hybride Weltordnung: Kung-Fu-Star Jet Li und HipHop-Diva Aaliyah basteln an einem kompatiblen Mittelstandsdesign.

Alles erinnert an die glamouröse Selbstbeschreibung der postmodernen Stadt: Ein nagelneuer Mercedes taucht in die flimmernden Farbspiele einer nächtlichen urbanen Situation ein und flottiert, eingehüllt in HipHop-Rhythmen, wellenartig durch die entrückenden Bedeutungen der auf Zelluloid geschriebenen Logo-Signifikanten. Dann, urplötzlich, verblitzt das Lenkrad der Daimler-Limousine in flackernden Bildern und ist nur noch ein elektrisches Teilchen in einer zauberhaften Plastikwelt. Just delirious cool driving. Also Amerika? Ja, genau, Westcoast!

Und innerhalb dieses Wiedererkennens allzu bekannter Stilisierungen der global cities, in denen alles so angenehm dahinfließt und beschleunigt, kristallisiert sich in all ihren Bedeutungsmustern die eigentliche Storyline von »Romeo Must Die« heraus: Das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen, getarnt als Krieg rivalisierender Mafiaclans, soll hier als »interessanter Konflikt« inszeniert werden. Ein HipHop-Club in Oaklands Hafenviertel fungiert dabei als symbolischer Ort des afro-american Mafiaclans und markiert zugleich dessen kulturelles Zeichenregime.

Po Sing, Mitglied des asian-american Clans und Bruder des Protagonisten Han (Jet Li) taucht in dem Club auf. Die Situation eskaliert, bis Clubbesitzer Silk, gespielt von HipHop-Star DMX, eingreift. Po Sing wird später tot aufgefunden. Von nun an häufen sich die mysteriösen Morde in beiden Clans. Die Handlung verkümmert zu einer neuen Variante von Shakespeares »Romeo und Julia«.

In »Romeo Must Die« liefert die postkoloniale Situation die Kulisse eines Märchens. Migration avanciert zu einem wirklichen Abenteuer. Jet Li erfährt von dem Mord an seinem Bruder in einem Gefängnis in Hongkong. Er bricht aus und begibt sich in die USA, um den Tod aufzuklären. Mit Jet Li dringen nun die Images Hongkongs nach Oakland, »einer Stadt«, die, wie Produzent Joe Silver zu berichten weiß, »mit der Musik der HipHop-Szene geradezu vibriert«. Die todesverachtenden Kung-Fu-Künste Jet Lis treffen auf den »frechen« HipHop Aaliyahs. Auf diese Weise bringt die Story »den Westen mit dem Osten zusammen« (Silver), während Popcredits über ethnische Kategorien verteilt werden; Jet Li kennt Football nicht und kann sich nicht zu HipHop bewegen, als fehle ihm das »rhythmische« Geheimnis des schwarzen Körpers. Jet Lis Vater hingegen übernimmt den Part des skrupellosen asiatischen Geschäftsmannes, der den Mord an seinem Sohn Po Sing in Kauf nimmt, weil dieser durch seine Disziplinlosigkeit den big deal seines Lebens gefährdet hat. Der Patron des afro-american Clans, Isaack (Delroy Lindo), wird zur Untergrundversion des erfolgreichen weißen Geschäftsmanns stilisiert, der tiefe Sehnsucht nach dem normalen amerikanischen Mittelstandsleben hegt und sein letztes kriminelles Geschäft über die Bühne bringen möchte. Es geht um den Verkauf des Hafengebiets an einen weißen Penthouse-Yuppie, der dort ein Football-Stadion bauen will und beiden Clans jeweils eine hohe Summe anbietet.

Die vielfältigen Körpermodelle von »Romeo Must Die« sind nicht zuletzt dem Vorhaben verpflichtet, Impulse des New Black Cinema bzw. des Asian-American Cinema aufzunehmen, um den hegemonialen filmischen Blick auf eine Show differenter Kulturen zu richten, in der die colorline sanft retuschiert und mit etwas Genussvollem konnotiert wird. So sind die rassistischen Konnotationen von »Romeo Must Die« dem unterschwelligen Subtext eines ethnifizierten clash of cultures geschuldet.

Die Botschaft ist: In den global cities der westlichen Welt herrscht Krieg zwischen den Minoritäten. Und so trifft in Andrej Bartkowiaks Regiedebüt »der Osten auf den Westen« - als Action-Event postkolonialer Verhältnisse. »Überraschendes« gilt es dort zu zeigen: dass »fremde« Kulturen, die also nicht in der hegemonialen Kultur verwurzelt sind, prickelnde Existenzweisen aus Kung-Fu- und HipHop-Codierungen entstehen lassen können. So hört es sich einfach nur nett an, wenn Timbaland mit Stanley Clark den Soundtrack gestaltet. Denn immer gilt es, musikalische Bedeutungen zu produzieren, die auf die Besonderheit einer anderen Kultur verweisen. Diese typischen Repräsentationsfiguren von HipHop im Hollywoodkino werden dadurch verstärkt, dass »Romeo Must Die« mit der Attitüde des hybrid chic spielt. Während das Moment des hybrid chic die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten kultureller Codes anpreist, manifestiert »Romeo Must Die« diese Praktiken auf der colorline, da nur dort kulturelle Identität erst ihren authentischen Charakter bekommt. Die Mischung aus hybrid chic und colorline führt in »Romeo Must Die« auch zu einer architektonischen Bestimmung von Kultur, die an einem multikulturalistischen Mittelstands-Design bastelt.

Trish (Aaliyah), die sich von den mafiösen Aktivitäten ihres Familienclans emanzipieren möchte, besitzt einen coolen und schicken Klamottenladen. Natürlich wird dort HipHop und R & B aufgelegt, während hippe schwarze Kids tanzend einkaufen. Die Boutique von Trish ist ein Beispiel für den ethnographischen Hintergrund des kulturell diversifizierten Bauchladen-Prinzips. Der Aufstiegs-Imperativ - »Geh raus, mach deinen Laden, sei sexy!« - gemischt mit dem richtigen Schuss Blackness, verschafft dem Film ein vielfältig schattiertes Kulturkolorit.

So nimmt der Film exotistische Formen an, wenn er den Geheimnissen kultureller Differenz nachzugehen versucht, um sie als essenzialistische Konstanten auszustellen. Der Gehilfe des afro-amerikanischen Clans, Maurice, der Trish als Bodyguard zugewiesen wird, ist der vertrottelte, schwergewichtige und lustige Idiot im Stile Eddie Murphys. Der asian-american Clan wird demgegenüber durch Zuschreibungen wie intelligente Körperbeherrschung, durchtrainierte Körper und Zurückhaltung charakterisiert. Aus dieser binären Codierung vermögen scheinbar nur Trish und Jet Li als »tolerante Wesen« hervorzutreten. Sie verweigern sich dem Kriminellen und vollziehen ein Crossover der colorline, indem sie gemeinsam Rache an den Mördern ihrer Geschwister üben.

Am Ende zerbrechen die familiären Mafiadynastien an der Abwesenheit der Mutter, die zur Projektionsfläche eines anderen, anständigen, unerreichbaren Lebens geworden ist und das ödipale Setting von »Romeo Must Die« komplementiert. Der Kitsch von »Romeo Must Die« avanciert zum Traum, mit dem die Angst vor unausräumbaren Fremdheiten über eine konsumfreundliche Popordnung besänftigt werden kann: white folks can relax.

»Romeo Must Die«, USA 2000. Regie: Andrej Bartkowiak, Soundtrack: Timbaland / Stanley Clark. Start: 8. Juni