Alternative Lebensformen

Showdown im Café

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Es gibt sie in allen Größen, in den verschiedenen Outfits und zweierlei Geschlechts. Sie sind mal dürr und mal beleibt, mal hässlich und mal hübsch, manche sind laut und andere leise. Alle kennen sie. Alle lieben sie. Und alle hassen sie: die Bedienungen in den Kneipen und Cafés.

Sie sind so unentbehrlich, weil Cafés und Kneipen in der Hauptstadt große Bedeutung erlangt haben: Aus dem alten Szene-Kiez Kreuzberg sind sie genauso wenig wegzudenken wie aus der neuen Mitte. Kriegs- und Nachkriegsgenerationen mögen den Tag arbeitend oder vor der Glotze hockend verbringen, alle Leute unter 40 dagegen wissen, wo sie zusammenkommen, ausruhen oder ihre Geschäftsbesprechungen abhalten: in Kneipen und Cafés.

Morgens wird das Frühstück eingespart, um sich sogleich nach dem Verlassen der eigenen vier Wände ins nächstbeste Café zu stürzen - natürlich nur, wenn es angesagt ist. In einer anderen Lokalität isst man dann zu Mittag, nachmittags gibt's einen Milchcafé oder die ersten Alkoholika, abends treffen sich Freunde - wieder in der Kneipe, versteht sich.

Die moderne und gemütliche Form der Gastronomie ist nicht mehr wegzudenken. Sie ist ein Lebensgefühl. Und weil das so ist, haben sie eine große Macht: die Bedienungen. Wer kennt nicht die unheilvolle Situation, wenn die so genannten Bewirtungsfachkräfte - die meist noch Studenten sind oder zumindest mal waren - die Arroganz der Macht voll ausspielen. Vor Hunger oder Durst nur so schmachtend eingekehrt, steht einem der Sinn nach einer möglichst schnellen Erfrischung.

Dann aber beginnt die Tortur: Die Bedienung serviert am Nebentisch und verschwindet wieder, ohne den neuen Gast zu beachten. Man sucht den Blickkontakt, winkt - die Servicekraft geht zielstrebig an einem vorbei. Wut. Verzweiflung. Und Hoffnung: Wenn man schon fast verdurstet ist, kommt sie doch und fragt, als säße der Gast nur aus Langeweile am leeren Tisch: »Möchtest du was trinken?«

Spätestens jetzt sollte der Café-Gänger flüchten, wenn er sich den Tag nicht komplett versauen will. Tut er es nicht, wird die Bedienung ihm garantiert zehn - manchmal auch 15 - Minuten später eine ganz bestimmte Frage stellen: »Was wolltest du noch mal?« Und dann wird doch das Falsche gebracht. Denn »doppelt hält besser« - das gilt in der Berliner Gastronomie nicht.

Manche Gäste setzen dann zur Beschwerde an. Ein schwerwiegender Fehler. Die Bedienung wäre nicht Bedienung, wenn sie von der Richtigkeit ihres Tuns nicht restlos überzeugt wäre. Wer meckert, hat keine Chance mehr auf Beachtung, muss jämmerlich verdursten oder verhungern und verpasst vor allem den letzten Teil des Rituals: das Bezahlen.

Die Wartezeit für den letzten Akt ist in etwa so lang wie für's Bestellen - und die Rechnungslegung ähnlich fantasievoll etwa so weit von der Kundenorder entfernt wie das Servierte. Nun kann es zum lautstarken Showdown mit der Bedienung kommen - der unerbittlichen Instanz des Etablissements. Oder wahlweise zum leisen Abgang: Der schlaue Gast geht vor dem Bezahlen und nimmt möglichst noch Teile des Interieurs mit. Tassen und Gläser kann schließlich jeder gebrauchen.