Kirchen auf der Expo

Beten 2000

Armut, Aids und Dalai Lama: Die Kirchen werben politisch korrekt. Bilder einer Ausstellung VI.

Birgit Breuels Redenschreiber hatte fett aufgetragen. »Der mutige und konsequente Einsatz des Papstes für die Menschenwürde sucht seinesgleichen«, lobte die Expo-Generalkommissarin. Wohlgefällig lächelnd nahmen die versammelten katholischen Würdenträger das Statement der Expo-Chefin zum »Nationentag des Vatikan« Ende Juni entgegen. Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, der den Papst in Hannover vertrat, gab das Kompliment umgehend zurück: »Die hohe künstlerische Qualität der Expo« beeindrucke ihn, sagte der 72jährige Regierungschef des Kirchenstaates, der von manchen schon als nächster Papst gehandelt wird.

Kein Zweifel, Expo und Kirchen haben Gefallen aneinander gefunden. Nie zuvor haben sich die christlichen Glaubensgemeinschaften derart für eine Weltausstellung ins Zeug gelegt. Gleich mit drei Pavillons halten die Kirchen strategisch günstige Stellen des Expo-Geländes besetzt.

Am Westeingang steht der Pavillon des Vatikan, für den die deutschen Bistümer zehn Millionen Mark hingeblättert haben. Zähneknirschend, wie einzelne Bischöfe zugeben, denn man hätte lieber alle Kräfte in ein ökumenisches Projekt gesteckt. Gegenüber dem Deutschen Pavillon an der zentralen Expo-Plaza haben Katholiken und Protestanten für 17 Millionen Mark den »Christus-Pavillon« errichten lassen, eine würfelförmige Kirche aus Glas und Stahl. Und dann ist da noch der »Pavillon der Hoffnung« am Endpunkt der Seilbahnstrecke, errichtet in Form eines Wals. Fast 15 Millionen Mark haben der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) und evangelikal-konservative Gruppierungen dafür ausgegeben.

Getrennt präsentieren, vereint schlagen. Im Vatikan-Pavillon dreht sich alles um den Einen, der allerdings »aus Gesundheitsgründen« nicht persönlich nach Hannover gekommen ist. »Der weiß gekleidete Mann ist der ...« heißt es im Fragebogen der »Pavillon-Rallye«. »PABST« schreibt der elfjährige Hendrik fast korrekt in die Lücke. Katholische Schulklassen durchstreifen das kreisrunde Holzgebäude, mustern die Bilder, auf denen Johannes Paul II. Aidskranke umarmt, mit dem Dalai Lama betet und auch sonst allerhand politisch Korrektes und Völkerverständigendes tut. Dazwischen stehen Marmorstatuen aus den Vatikanischen Museen. Gerne hätte man das Turiner Grabtuch mit dem angeblichen Abdruck des Antlitzes Christi gehabt, berichten Pavillon-Mitarbeiter. Doch die Italiener wollten das gute Stück nicht herausrücken, und so tut es jetzt auch eine Christus-Ikone aus dem sechsten Jahrhundert.

Weniger museal geht es im »Christus-Pavillon« zu. Als »Bahnhofshalle« ist der spärlich möblierte Bau auch schon verspottet worden - grau, kalt und leer. Doch manchen gefällt's. »Eine feierliche und würdevolle Atmosphäre«, lobt etwa die Süddeutsche Zeitung. Stundengebete finden hier statt, Konzerte und Mitte Juli sogar eine Trauung.

Am 1. Juni gab es auch den unvermeidlichen ökumenischen Gottesdienst zur Expo-Eröffnung, vorneweg die üblichen Verdächtigen Johannes Rau und Wolfgang Thierse. Da durften auch die protestantischen Selbstanklagen ohne konkrete Folgen nicht fehlen. Man solle auf der Expo nicht nur »technische Errungenschaften und Glanzprospekte« sehen, predigte Landesbischöfin Margot Käßmann damals, sondern auch den »tiefen Kummer und Jammer der Menschheit«.

Die Bischöfin mag dabei übersehen haben, dass selbst die Stahlindustrie, die den »Christus-Pavillon« mit rund fünf Millionen Mark gesponsert hat, auf Hochglanzprospekten mit dem Bau im Steckkastensystem wirbt. Eine weitere Million kam vom Atomkonzern PreussenElektra, der das 27 Meter hohe Kreuz aus Glas und Stahl neben dem Pavillon finanziert hat. »Wir wollten eben einen schönen Pavillon haben«, kontert der evangelische Expo-Beauftragte Gerhard Wegner Kritik von Umweltgruppen.

Immerhin, die kirchlichen Pavillons setzen auf »Nachhaltigkeit« und sollen auch nach dem Ende der Expo weiterhin genutzt werden. Welcher Standort bietet sich da besser an als der heidnische Osten? So wandert der Vatikan-Pavillon im November ins lettische Liepaja, wo er als katholisches Gemeindezentrum dient. Der »Christus-Pavillon« dreht das Rad der Geschichte gar bis ins Mittelalter zurück: Seine Bauteile sollen im thüringischen Volkenroda beim Wiederaufbau eines Klosters zum Einsatz kommen, das aufrührerische Bauern im 16. Jahrhundert zerstört hatten.

Für den »Pavillon der Hoffnung« ist hingegen noch keine eindeutige Nachnutzung gefunden worden. Weg muss er, das steht fest, immerhin ist er am Rande der Expo mitten in einem Naturschutzgebiet errichtet worden. Dennoch würde die Stadt Hannover den 70 Meter langen Wal gerne behalten. Schließlich hatten sich schon Mitte Mai in einer Umfrage 87 Prozent von 250 000 Anrufern für das sympathische Tier als Symbol der Weltausstellung ausgesprochen. Vielleicht könne man ja den Flächennutzungsplan ändern, deutete Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) bereits an.

Der Wal bietet das übliche evangelikale Programm: flotte Musik und Computerfilmchen, kombiniert mit der Kehr-um-zu-Jesus-und-alles-wird-gut-Botschaft. Ein Kino mit 280 Sitzplätzen zeigt mehrmals täglich einen solchen Missions-Schmarren: »The Choice«, eine Neuverfilmung des Jesus-Gleichnisses vom Verlorenen Sohn. Das Hilfswerk World Vision, einst von US-Evangelikalen zum Zurückdrängen der lateinamerikanischen Befreiungstheologie gegründet, präsentiert sich moderat als Retter von Straßenkindern, Drogenabhängigen und Kindersoldaten in allen Erdteilen. Am Ausgang wird dem Besucher noch der Videofilm »Hoffnung« in die Hand gedrückt, gesponsert vom Essener Schuhfabrikanten Heinz-Horst Deichmann.

Kritische Stimmen zur Expo aus den Kirchen, wie es sie vor Jahren noch gegeben hat, sind mittlerweile verstummt. Inzwischen tun die Kirchen wieder das, was sie am besten können, nämlich integrieren. »In den Präsentationen der Kirchen werden die Menschen, gerade auch die Menschen der armen Völker im Mittelpunkt stehen«, kündigte Käßmann an. Da darf dann der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu gegen Rassismus wettern, und Straßenkinder können in Theaterstücken auf ihre Not aufmerksam machen: All das wirbt zugleich für die Kirche und erhöht die Akzeptanz der Expo. Kardinal Sodano verrät den alten Trick: »Die Kirche nutzt gerne die Instrumente, die die Vorsehung ihr zur Verfügung stellt.«