Geschichtsrevisionist unterrichtet an Berliner Gymnasium

Katheder-Revisionismus

Ein Berliner Gymnasiallehrer betreibt rechte Propaganda. Die Schule ist besorgt - um ihren guten Ruf.

Wer dem Dritten Reich die Ermordung von etwa einer Dreiviertelmillion Juden anlastet, ist alles andere als ein Antisemit.« Und wer so spricht, ist nicht etwa ein Parteimitglied der NPD, wie man meinen könnte, sondern Lehrer an einem staatlichen Gymnasium in Berlin. Das Zitat aus der Österreichischen Militärzeitschrift (6/96) ist keine einmalige Entgleisung. Karl-Heinz Schmick, der Geschichte und Politik am Gymnasium Steglitz unterrichtet, ist für seine braunen Aktivitäten hinlänglich bekannt. In einem Flugblatt, das kritische SchülerInnen vor kurzem am Gymnasium Steglitz verteilt haben, wird dem Pädagogen vorgeworfen, dass er »rechtsradikales Gedankengut pseudowissenschaftlich zu untermauern« versuche.

Schmick hat sich bisher nicht nur mit der Verteidigung von Holocaustleugnern hervorgetan. Vergangenes Jahr bezichtigte er in seinem Buch »Untersuchungen zur Ausstellung 'Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941-1945'« die Organisatoren der Wehrmachtsausstellung, Fotos und Texte gefälscht und manipuliert zu haben. »Rüdiger Proske und Karl-Heinz Schmick ist zu danken«, jubelte die rechtsextreme Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) nach der Veröffentlichung des Buches. »Ohne ihren Mut würden wir der Macht der Ausstellungsmacher hilflos gegenüberstehen. Dank gebührt den Ausstellungskritikern auch dafür, daß sie mit ihrer mühsamen Arbeit nicht nur der Suche nach der Wahrheit gedient haben, sondern ebenso der Ehre unserer Väter.« (JF, 50/99). Das Werk findet sich mittlerweile im Literatur-Angebot des JF-Buchdienstes.

Für die »Ehre seiner Väter« ist Schmick, wenn es sein muss, auch zu Opfern bereit: Vergangenes Jahr pöbelte er lautstark in den Räumen der Wehrmachtsausstellung in Köln. Darufhin wurde er des Raumes verwiesen. In Hamburg musste der Störer sogar hinausgetragen werden.

Schmicks braune Propagandatätigkeit beschränkt sich jedoch nicht auf den außerschulischen Bereich. Am Gymnasium Steglitz organisierte er eine Unterschriftensammlung im LehrerInnen-Kollegium gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Bei vielen SchülerInnen ist er zudem für rassistische Sprüche und frauenfeindliche Bemerkungen bekannt: Eine Schülerin koreanischer Abstammung beschimpfte er im Unterricht als »Korea-Import«.

Schmick interessiert sich nicht nur für den Nationalsozialismus oder die neuere deutsche Geschichte - auch das deutsche Kaiserreich hat es ihm angetan: Während seiner Lehrtätigkeit Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre am Tannenberg-Gymnasium in Lichterfelde setzte er sich für den Erhalt des Schulnamens ein, der an eine Schlacht der kaiserlich-deutschen Armee gegen russische Truppen im Jahre 1914 erinnerte. Damals baute er mit einer Gruppe von SchülerInnen das ostpreußische Tannenberg-Denkmal nach und stellte es in der Vorhalle des Gymnasiums auf. Heute heißt die Schule Willi-Graf-Oberschule, zu Ehren eines Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus. Das LehrerInnen-Kollegium hat vor knapp 20 Jahren die Umbenennung durchgesetzt.

Am Gymnasium Steglitz, wo Schmick heute unterrichtet, ist man vor allem um den guten Ruf der Schule besorgt. Das Flugblatt der SchülerInnen, das über Schmicks Aktivitäten aufklärt, macht bereits seit einigen Wochen an der Schule die Runde, bisher hat es reichlich Wirbel verursacht.

Deshalb übt sich Schuldirektor Thomas Gey nun in Schadensbegrenzung: Den Vorwurf, dass Schmick einen Leinenbeutel mit dem Werbeaufdruck der Jungen Freiheit trage, will Gey nicht bestätigen. Auch die Verbreitung verfassungsfeindlicher Inhalte im Unterricht - die Voraussetzung für eine Disziplinarbeschwerde - lasse sich nicht nachweisen, erklärt der Direktor.

Gey scheint verärgert, schließlich konterkariert die Medienberichterstattung über den Fall Schmick seine Bemühungen um einen Ruf als »tolerante Schule«. Dort gibt es tatsächlich einzelne progressive Projekte, beispielsweise soll im nächsten Schuljahr ein Rabbiner unterrichten. Doch trotz dieser Bemühung um Fortschrittlichkeit scheint Kritik unerwünscht zu sein: Die SchülerInnenvertretung und die SchülerInnenzeitung des Gymnasiums halten sich bedeckt. Auch das LehrerInnenkollegium sorgt sich primär um das Bild der Schule in der Öffentlichkeit.

Dieses Verhalten könnte einer weit verbreiteten Blindheit für die Gefahr eines akademischen Geschichtsrevisionismus geschuldet sein. Doch nicht zuletzt der Fall Schmick zeigt, dass die Grenzen zwischen einem Geschichtsrevisionismus neofaschistischer Couleur, der vor allem die nationalsozialistische Massenvernichtung leugnet, und einem akademischen Geschichtsrevisionismus, der scheinbar differenzierter und moderater daherkommt, fließend sind. Mit seinen Aktivitäten passt Karl-Heinz Schmick gut ins Konzept der Jungen Freiheit, die versucht, beide Spielarten des Geschichtsrevisionismus zu vereinigen.

Neben der Sorge um den Ruf der Schule, den ihr ein geschichtsrevisionistischer Lehrer einzubringen vermag, scheint vor allem die Angst vor möglichen Verleumdungsklagen groß zu sein. Erst kürzlich hatte Schmick einen Schüler eines jüngeren Jahrgangs wegen Verleumdung angezeigt. Der Junge hatte seinen Geschichtslehrer während einer Diskussion im Klassenverband beschuldigt, am 20. April dieses Jahres einen militärähnlichen Anzug getragen zu haben.

Dass sich Schmick dem Militär verbunden fühlt, wird er aber kaum leugnen können. Immerhin ist er Direktor der Berliner Forschungsstelle für Militärgeschichte (FMG) und hält Vorträge über Kriegsgeschichte. Für seinen letzten Auftritt bei dem »Seminar der FMG zum Koreakrieg 1950-1953« mobilisierte er sogar mit Flugblättern an seiner Schule. Die anvisierte Zielgruppe: SchülerInnen koreanischer Herkunft.