Einführung der Homo-Ehe

Böse, pervers und unehelich

Vorschlag für einen Feindbildwechsel: Statt das schwule Mittelstandspärchen und spießige Lesben vor dem Standesamt zu kritisieren, geht es darum, das Gesetz heterosexueller Normativität anzugreifen. Eine Antwort auf die »Kölner Erklärung«.
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Es gibt in der Tat keinen Grund, für die von der rot-grünen Bundesregierung geplante eingetragene Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare zu sein. Sie ist die erste Sonderregelung für Homosexuelle seit der Abschaffung des Paragrafen 175. Sie verzichtet auf wesentliche Elemente der Eheregelung wie Ehegattensplitting und Adoptivrecht. Der Gesetzentwurf erfüllt noch nicht einmal die realpolitische Forderung nach Gleichheit als Teilhabe am Bestehenden, sondern schreibt die Privilegien der heterosexuellen Ehe erneut fest.

Der Entwurf ist weit entfernt von fundamentaloppositionellen Konzepten, Gleichheit durch eine Veränderung des Bestehenden - die Abschaffung der Ehe als Rechtsinstitution - erreichen zu wollen. Und schließlich versucht die eingetragene Lebenspartnerschaft, deren »sittenbildenden Charakter« der rechtspolitische Sprecher des Lesben- und Schwulen-Verbandes Deutschlands (LSVD) Volker Beck gerne hervorhebt, homosexuelle Subkulturen zu normalisieren und zu disziplinieren. Und dennoch sind die Argumente, mit denen einige linke Lesben und Schwule die so genannte Homo-Ehe und ihre AnhängerInnen attackieren, nicht nachzuvollziehen.

Eine linke Sexualpolitik muss sich an der Kritik der Heteronormativität orientieren. Sie besteht darin, den Anspruch zu skandalisieren, dass Heterosexualität die wahre, ursprüngliche, natürliche oder gottgewollte normale Lebensweise sei. Heterosexualität als Norm richtet sich nicht nur gegen Lesben, Schwule und andere Perverse, sie definiert ein ganz bestimmtes Lebensmodell als Normalität: monogame, auf Dauer angelegte, traditionell hierarchische und staatlich beglaubigte Zweierbeziehungen.

Der letztgenannte Aspekt heterosexueller Normalisierung wird von den GegnerInnen der »Homo-Ehe« gut getroffen, wenn sie die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft als eine »Heterosexualisierung der Homosexualität« kritisieren. Der Einschluss in die Norm beglaubigter Partnerschaften für heiratswillige Lesben und Schwule bedeutet einen erneuten Ausschluss anderer, nämlich all derjenigen homo- und heterosexuell Lebenden, die ihre Beziehungs- und Liebesformen nicht in das Korsett gesellschaftlicher Moralvorstellungen und staatlicher Regulierung pressen lassen wollen. Der Preis für die Anbiederung des LSVD an die Regierungskoalition und an die konservativen Parteien ist die Konstruktion von guten und schlechten Perversen. Die Guten entscheiden sich für »ein verbindliches Zusammenleben in der Ehe mit allen familienrechtlichen Konsequenzen« (LSVD-Flugblatt). Die Schlechten sind die Homo- oder Heterosexuellen, die stattdessen ihrem sexuellen Begehren und ihrer unmoralischen Promiskuität hemmungslos nachgehen.

Die andere Seite der Heteronormativität aber, die die Privilegierung von Heterosexualität und die Definitionsmacht von Heterosexuellen zum Gegenstand hat, wird von den linken GegnerInnen der »Homo-Ehe« völlig vernachlässigt. Warum konnte denn der LSVD seine Interessen so erfolgreich als die aller Lesben und Schwulen ausgeben? Geschickter und rücksichtsloser Lobbyarbeit alleine kann das kaum geschuldet sein, denn das hieße, den LSVD in seiner Bedeutung zu überschätzen. Der Verband konnte sich nur deshalb zum politischen Alleinvertreter stilisieren, weil er mit seinen Forderungen dem heterosexuellen Mainstream am weitesten entgegenkam. Sexualemanzipatorische Vorstellungen scheitern nicht allein an der bürgerrechtlichen Fraktion der Bewegung, sie scheitern in erster Linie am Widerstand einer heterosexuell dominierten Gesellschaft. Bei ihr liegt nach wie vor die ungebrochene Hegemonie in der Formulierung des sexualpolitischen Feldes.

Das entlastet den LSVD keinesfalls. Und natürlich lohnt es sich, innerhalb der lesbisch-schwulen Szene um die Meinungsführerschaft zu streiten. Die GegnerInnen der »Homo-Ehe« müssen sich jedoch fragen, ob sich ihre Kritik vor allem an die richtet, die Einschluss in die Norm der Paarbeziehung suchen, oder an die, die sie unhinterfragt schon immer für sich beansprucht und definiert haben. Nicht die »Homo-Ehe« sollte Fokus einer linken Sexualpolitik sein, sondern die Hetero-Ehe und alle anderen rechtlichen und kulturellen Formen, mit denen Heterosexuelle sowohl Privilegien als auch die Definitionsmacht über die Grenzen sexueller Normierung beanspruchen.

Stattdessen nimmt die Kritik an heiratswilligen Lesben und Schwulen geradezu skurrile Züge an. Die Losung etwa, der Ausschluss aus der Norm sei das Glück des Perversen, ist angesichts der realen Benachteiligung im Adoptiv-, Steuer- und Mietrecht sowie bei der Mitentscheidung im Krankheitsfall geradezu zynisch. Warum müssen sich Lesben und Schwule dafür rechtfertigen, heiraten zu wollen, wenn es Heterosexuellen nach wie vor ohne die geringsten Legitimationsprobleme ermöglicht wird? Auch der Ruf der heterosexuell dominierten Linken nach Abschaffung der Ehe bleibt fast ganz aus. Das wird von den linken Lesben- und Schwulenorganisationen nicht annähernd mit eben solchem Nachdruck eingefordert, mit dem die Kritik am LSVD formuliert wird. Das Heiratsbedürfnis von Lesben und Schwulen mag unzeitgemäß, spießig und unsympathisch sein, solange es aber die Ehe als Rechtsinstitution gibt, ist es ebenso legitim bzw. illegitim wie das Bedürfnis Heterosexueller, ihren Lebenskonzepten symbolischen und staatlichen Ausdruck zu verleihen.

Wer einst die Losung »Lesben und Schwule gibt es überall« ausgegeben hat, darf sich nun nicht wundern, wenn ihre Sichtbarkeit auch in der bürgerlichen Welt zu Tage tritt. Es gibt Lesben und Schwule in der CDU, in der Werbung, in den Führungsetagen und in der Volksmusik. Bald wird es sie auch unter den Verheirateten geben. Doch was ist daran dramatischer als die Existenz von Heterosexuellen in all diesen Einrichtungen? Die Forderung, Lesben und Schwule sollen die besseren Linken, die Speerspitze im Kampf gegen die bürgerliche Gesellschaft sein, ist anmaßend. Ihr liegt ein idealisiertes, romantisches Verständnis von lesbischen und schwulen Subkulturen zu Grunde. Wer von Lesben und Schwulen eine Absage an die konservativen gesellschaftlichen Institutionen verlangt, weil sie Lesben und Schwule sind, bleibt der Identitätspolitik verhaftet. Es gibt zwar gute Gründe - historischer und sozialer Art -, die hoffen lassen könnten, Lesben und Schwule seien systemkritischer als andere Menschen. Notwendig ist das aber nicht.

Auch die UnterzeichnerInnen der Kölner Erklärung können von romantischen, identitätspolitischen Vorstellungen nicht ganz lassen: Anstatt zu hinterfragen, ob sexuelle Orientierung überhaupt die geeignete Basis für eine politische Bewegung ist, versuchen sie, dem LSVD das Recht auf die Repräsentation der Community streitig zu machen. Schließlich stehe er nur für 0,0005 Prozent der Lesben und Schwulen, während hinter ihren Forderungen »alle bundespolitisch wichtigen Homo-Organisationen« stünden. Außerdem würde die eingetragene Partnerschaft vermutlich nur von einer kleinen Minderheit akzeptiert. Was aber, wenn sich herausstellt, dass die »Homo-Ehe« bei mehr Lesben und Schwulen ankommt, als man wahrhaben möchte? Dann wird klar, dass eine gemeinsame Identität schon immer eine äußerst wacklige Basis für emanzipatorische Politik gewesen ist.

Es gibt in linken Diskussionen nicht selten eine eigene Konstruktion von reinen und guten Perversen: Gut ist, wer vom Ausschluss aus der Norm auf eine radikale Systemopposition geschlossen hat und linke Forderungen und alternativen lifestyle unterstützt. Ansonsten ist noch gut, wer »wirklich« unterdrückt, sozial benachteiligt und von Gewalt betroffen ist.

Das ist auch der Grund, warum ein schwules Mittelschichtspärchen so gar nicht ins Bild der tragischen Opfer- und heroischen Widerstandsgemeinschaft passt und gerne als Zerrbild für den »Niedergang der Bewegung« beschworen wird. Hier müssen sich Lesben und Schwule dann entscheiden, ob sie sich nun gegen die Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung richten, und dies kann auch dem Mittelschichtspärchen passieren, oder ob sie nur dann zur sexualpolitischen Solidarität bereit sind, wenn es Mehrfach-Unterdrückte oder Angehörige der links-alternativen Community betrifft.

Ein weiteres, problematisches Argument gegen die Einführung der »Homo-Ehe« ist die Rede vom »Ende der Bewegung«. Ob sie wirklich mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft zu Grunde geht, bleibt abzuwarten. Falls die Prognosen der »Kölner Erklärung« stimmen, dass die »Homo-Ehe« nicht den Bedürfnissen der meisten Lesben und Schwulen entspricht, bleibt die Hoffnung, dass das nicht alles war. Vielleicht stellt sich ja auch heraus, dass die Privilegierung von Heterosexualität durch die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft ebenfalls kein Ende findet.

Dann gäbe es die Chance zu erkennen, dass die Diskriminierung homosexueller Lebensweisen in erster Linie nicht im Ausschluss aus einer patriarchalischen Rechtsinstitution besteht. Sollte sich »die Bewegung« mit der Einführung der eingetragenen Partnerschaft jedoch tatsächlich auflösen, dann hat sie es nicht besser verdient. Dann ist es an der Zeit, sich auf zu neuen Ufern zu machen. Im Kampf gegen die Normalisierungsgesellschaft und für die Abschaffung der Ehe als rechtlicher Norm gilt es dann, neue, gewagte und vor allem perverse Bündnisse zu schließen, die nicht länger auf sexueller Identität, sondern auf politischer Solidarität aufgebaut sind.