Alfredo Molano, kolumbianischer Schriftsteller

»Verhandeln, nicht erzwingen«

Auf die USA folgen die Europäer: Nach einer Ende Juni vom US-Kongress beschlossenen milliardenschweren Militär- und Finanzhilfe für den von der kolumbianischen Regierung entwickelten »Plan Kolumbien« hat sich in der ersten Juli-Woche auch die EU dem lateinamerikanischen Staat zugewandt. Insgesamt 26 Länder verständigten sich in Madrid zusammen mit der Weltbank, der Uno und dem IWF über finanzielle Aspekte und unterschiedliche politische Erwartungen des »Plan Kolumbien«. In der spanischen Hauptstadt fand aber am 5. Juli auch ein von verschiedenen kolumbianischen und europäischen Organisationen veranstaltetes Alternativforum statt. An diesem Forum nahm Alfredo Molano teil. Er ist kolumbianischer Schriftsteller und Journalist und lebt im Exil in Barcelona.

Welches Ziel verfolgt die Regierung in Bogotá mit dem »Plan Kolumbien»?

Die Regierung Kolumbiens hat sich entschieden, den Krieg im Land zu verstärken. Das ist geschehen, als sie den »Plan Kolumbien« der USA akzeptiert und als politische Strategie übernommen hat. Der US-Plan steht für eine groß angelegte Militäroperation gegen die Guerilla, als Vorwand dient der Kampf gegen den Drogenhandel. Die kolumbianische Regierung versucht, die Perspektiven der Guerilla am Verhandlungstisch zu schmälern. Ich glaube nicht, dass sie mit dem Gedanken spielt, die Guerilla ganz zu vernichten, denn das ist unmöglich. Mit der Guerilla abzuschließen ist dem Staat in den letzten 50 Jahren nicht gelungen. Aber sie will, dass die Guerilla ihr Verhandlungsmodell ändert.

Zu welcher Position soll die Guerilla denn gebracht werden?

Die Guerilla will einen radikalen Wechsel des Systems - ökonomisch und politisch. Die Regierung möchte aber nur minimale Reformen zugestehen, damit die Guerilla partiell am bestehenden System teilhaben kann. Präsident Andrès Pastrana geht es darum, dass die Guerilla die Waffen abgibt und sich in die Gesellschaft eingliedert. Im Gegenzug wäre er bereit, Entwicklungsprogramme zu finanzieren, einige Posten abzugeben und unbedeutende Reformen vorzunehmen. Der Krieg, den die Regierung führt, soll die Guerilla zwingen, das und nichts anderes zu verhandeln. Es ist eine Strategie der Befriedung, damit alles so bleibt, wie es ist.

Im Februar hat Pastrana großes Interesse signalisiert, in die nordamerikanische Freihandelszone Nafta einzutreten. Kann darin ein längerfristiges Ziel der so genannten Friedensbemühungen gesehen werden?

Das politisch-ökonomische System Kolumbiens eröffnet dem internationalen Kapital große Möglichkeiten und Privilegien. Hinter dem Krieg gegen die Guerilla steckt das Ziel, die ländliche Bevölkerung zu terrorisieren, so wie es der Staat schon die letzten 50 Jahre praktiziert hat. Zuerst ließ er zu, dass man den Bauern ihr Land wegnahm, sie verschuldete und ruinierte, und als den Bauern nichts weiter blieb, als Koka anzubauen, ging der staatliche Terror weiter. Selbst wenn die Guerilla aufgibt, wird der Staat weiter die Landbevölkerung angreifen. Schließlich geht es in diesem Krieg darum, die neoliberalen Normen der Wirtschaft durchzusetzen, die Privatisierungen voranzutreiben und den Widerstand zu brechen. Um der Nafta beizutreten, muss der Staat dem Kapital und den Investoren Sicherheiten bieten. Pastrana hat dafür die Spielregeln zu schaffen. Das soll mit dem Krieg erreicht werden.

Für das Diplomatentreffen in Madrid hat die kolumbianische Regierung die Version des US-Plans mehrfach umformuliert, damit die finanzielle Unterstützung zu Stande kommt. Dennoch gibt es nun auch eine europäische Version des Plans. Wofür steht sie?

Die Opposition gegen den »Plan Kolumbien«, die auch in Madrid präsent war, richtet sich gegen den US-Plan - und gegegen den europäischen. Denn im Grunde ist es derselbe Plan, zumindest aber ergänzen sie sich. Der eine ist ein Militärprogramm, der andere ein sozialer Plan zum Wiederaufbau, der das militärische Vorhaben verschleiern soll. Pastrana sprach auch schon von einem »Marshall-Plan« für Kolumbien, an dessen Ausarbeitung unter anderem Strategen der Weltbank und des US-Erdölkonzerns Oxy beteiligt sind. Alle, die sich gegen die Pläne der Regierung ausgesprochen haben, sind sich darüber klar, dass die Verknüpfung beider Pläne das Land unausweichlich in einen Krieg führt. Einen Krieg ohne Umkehr.

Die vorgesehenen Gelder sind hauptsächlich für die südlichen Regionen Kolumbiens bestimmt, wo der Krieg besonders heftig geführt wird. Der Regenwald soll gelichtet werden - angeblich, um die Drogenanbaugebiete zu vernichten. Gleichzeitig sollen Hunderttausende Menschen von dort umgesiedelt werden. Was steht hinter dieser Strategie?

Das Ziel ist, die Menschen dem Gebiet der Farc-Guerilla zu entreißen, die Farc also ökonomisch und logistisch zu zerstören, und die Bevölkerung zu zwingen, sich im von Paramilitärs kontrollierten Norden anzusiedeln. Dort wird der Drogenanbau nicht bekämpft. Europa weiß, dass der »Plan Kolumbien« eine Lizenz für den Paramilitarismus einschließt.

Bekannt ist aber auch, dass es Verflechtungen zwischen europäischen Konzernen und den Paramilitärs gibt.

Es ist die Aufgabe der europäischen NGOs, Menschen zu mobilisieren, um die EU wegen ihrer Pläne politisch und juristisch anzugreifen. In England beispielsweise hätte ein klares Vorgehen gegen die Finanzierung paramilitärischer Aktivitäten durch BP eventuell Auswirkungen auf die Politik des Konzerns. Die europäischen Organisationen müssen sich gegen die Pläne der EU aussprechen, gegen die paramilitärischen Strategien mobilisieren und sich für den Friedensprozess in Kolumbien einsetzen.

Man sagt, die kolumbianische Regierung arbeitet mit einem Plan A - das sind die Verhandlungen mit der Guerilla. Und es gibt wohl auch einen Plan B - das ist das militärische Programm unter dem Decknamen »Plan Kolumbien«.

In der letzten Zeit sind Fortschritte zum Verfahren der Verhandlungen erzielt worden, z.B. bei der die entmilitarisierten Zone im Süden und beim Zeitplan. Man ist dabei, einen Waffenstillstand auszuhandeln, dessen Sinn darin bestünde, zu neuen Regeln zu gelangen. Von Verhandlungen selbst ist man noch weit entfernt. Die Farc verlangt zum Beispiel für eine Waffenruhe Geld, um die eigenen Verbände zu finanzieren. Wenn Europa etwas zum Friedensprozess beitragen will, so muss dieses Geld aufgebracht werden.

Hätte das Auswirkungen auf die Haltung der USA?

Auch im Parlament in Washington werden Stimmen laut, die sich gegen eine Beteiligung an einer Militäroffensive richten. Europa könnte dem US-Plan die Legitimation entziehen. Denn mit der nunmehr erteilten Zustimmung und Finanzierung des Plans in der europäischen Version erhält der US-Plan erst seine Legitimation: Das ist die Bombe als Friedenstaube.

Javier Solana meinte jüngst in Bogotá, in dem Plan keinerlei militärische Komponente zu sehen.

Die Aussagen Solanas sind demoralisierend für alle, die für den Frieden kämpfen. Und sie sind gefährlich, weil Solana damit Europa animiert, sich am Krieg zu beteiligen. Seine Kalkulation läuft darauf hinaus, dass es ein kurzer Krieg sein wird, so wie der um das Kosovo. Aber dieses Modell funktioniert in Kolumbien nicht.

Wenn man nicht wie die NGOs auf diesen Schwindel hereinfallen will, der als »Plan Kolumbien« präsentiert wird, über welche Art von Frieden muss dann gesprochen werden?

Meiner Meinung nach ist die einzige Möglichkeit, das politische System neu zu verhandeln, welches das ökonomische System dann demokratisch regeln muss. Das ist der Frieden, um den wir kämpfen müssen. Diesen Frieden können wir nur verhandeln, nicht mit militärischen Mitteln erzwingen. Wenn der Gewinner den Verlierer bei diesen Verhandlungen ausschließt, wird der Krieg weitergehen.