Eberhard Schönberg, Gewerkschaft der Polizei

»Das Weltbild kann verrutschen«

Zum staatlich verordneten Antifaschismus gehört der Ruf nach einem härteren Durchgreifen der Polizei. Wie der Knüppel auf's Auge passt dazu, dass zuletzt mehrere Polizeibeamte durch rassistische und antisemitische Parolen oder rechtsextreme Drohungen auffielen. Eberhard Schönberg ist Berliner Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei.

Die Sprecherin des Bundes Kritischer Polizisten, Bianca Müller, behauptet, dass 15 Prozent ihrer Kollegen in Großstädten »mehr oder weniger rechtes Gedankengut« vertreten.

Es gibt keine Untersuchungen darüber, wie Polizeibeamte politisch denken. Es kommt immer mal wieder in der Presse hoch, dass bei der Polizei ein überproportionaler Teil mit rechtsradikalem Gedankengut vorhanden sei. Wenn man versucht, das zu überprüfen, stellt es sich meistens als falsch heraus. Sicherlich mag es den einen oder anderen geben, der so denkt, das ist bei einer 28 000-köpfigen Behörde nicht auszuschließen, aber dann wird dem disziplinar- und strafrechtlich nachgegangen.

Letzte Woche wurden bei einem Berliner Polizisten Sprengstoff und Waffen gefunden. Die Hausdurchsuchung war wegen antisemitischer und rassistischer Äußerungen des Polizisten angeordnet worden. Ende Juli wurde ein Berliner Polizist vom Dienst suspendiert, weil er anonym mit »rechtem Terror« gedroht hatte.

Das sind genau die Einzelfälle. Bei dem letzten Fall sind die Vorwürfe nicht bewiesen. Beim ersten handelt es sich gar nicht um einen Polizisten, sondern um einen Auszubildenden an der Fachhochschule, der dort Flugblätter mit antisemitischem Inhalt verteilt hat und dann von anwesenden Kollegen angezeigt worden ist. Er wurde sofort vom Dienst suspendiert. Die Polizei fand bei ihm eine Nebelgranate der Bundeswehr. Er wird aus dem Dienst entfernt, wenn sich diese Vorwürfe bestätigen. Dieser Fall ist also ein Gegenbeispiel: Rechtsextreme werden nach Möglichkeit sofort entlassen.

Die Polizeiführungsakademie Hiltrup spricht seit Jahren nicht mehr von Einzelfällen. Ist das, was Sie sagen, nicht eine Verharmlosung?

Im Gegenteil. Daran haben wir kein Interesse. Die GdP hat schon lange beschlossen, dass Mitglieder der Republikaner aus der Gewerkschaft rausfliegen. Dagegen hat einer geklagt, und das Gericht hat uns Recht gegeben. Die GdP will eine Polizei, die sauber ist von rechts- wie linksradikalen Erscheinungen. Und das ist sie auch größtenteils.

Was wissen Sie über rechtsextreme Strukturen in der Polizei?

Die gibt es nicht. Polizisten müssen einen Diensteid auf die Verfassung schwören. Wenn wir rechtsradikale Strukturen hätten, wäre das ein dienstrechtlicher Verstoß, der zur Entlassung führen kann. Solche Fälle sind nicht bekannt.

Sie haben von verständlichen »Vorbehalten gegen Ausländer« in der Polizeipraxis gesprochen. Welche Vorbehalte sind das?

Das Bild vom Freund und Helfer war eine Werbestrategie oder Imagepflege, es entspricht aber nicht dem polizeilichen Alltag. Polizist zu sein, ist ein harter Beruf. Wir haben mit den Schattenseiten der Gesellschaft zu tun - egal ob es sich um deutsche oder ausländische Straftäter handelt. Gerade in Berlin haben wir bei Straftätern einen überproportionalen Anteil an Ausländern. Bei Widerstandshandlungen gegen Beamte geht es in 60 Prozent der Fälle um Ausländer. Das kann bei manchen Kollegen das Gefühl hervorrufen, dass man gegen diese Leute eingestellt ist. Wenn man täglich mit wachsender Gewalt - körperlich wie verbal - gegen Polizeibeamte konfrontiert ist, dann kann das Weltbild schon verrutschen.

Sie sagten: »Im Umgang mit Ausländern haben wir leider nur Negativ-Erlebnisse.«

Nochmal: Für viele junge ausländische Mitbürger gehört es in Berlin mittlerweile zum guten Ton, sich gegen polizeiliche Maßnahmen körperlich zu wehren.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik betont, dass ein Drittel aller nichtdeutschen Tatverdächtigen Straftaten gegen das Ausländer- und Asylverfahrensgesetz begeht.

Sicherlich werden Straftaten rausgerechnet, die nur Ausländer begehen können. Aber allgemein und in bestimmten Bereichen wie Rauschgifthandel oder Vergewaltigung befinden sich bis zu 70 Prozent Ausländer unter den Straftätern. Es macht keinen Sinn, solche Probleme nicht anzusprechen. Wenn es sie gibt, muss man sie benennen.

Welche Bildungsmaßnahmen gibt es bereits gegen Rechtsextremismus, welche sind in der Diskussion? Frau Müller hat Anti-Stress-Seminare vorgeschlagen.

Man kann und muss mehr machen - besonders vor schlimmen Einsätzen. In Berlin fehlt allerdings Geld und Personal für Fortbildungsmaßnahmen. Es gibt aber schon seit Jahren Anti-Stress-Seminare. Sie jetzt zu fordern, ist also Quatsch.

Was sind denn schlimme Einsätze?

Wenn wir über Rechtsradikalismus reden, dann muss man bedenken, dass Ausländer, im Vergleich zur übrigen Bevölkerung, zum größeren Teil gegen Polizeibeamte und -beamtinnen gewalttätig sind. Gerade gegen Kolleginnen. Die müssen sich übelste Beleidigungen und Drohungen anhören ...

... überwiegend von Ausländern?

Ja.

Welche Konsequenzen sind aus Vorwürfen gezogen worden, dass es polizeiliche Übergriffe auf Ausländer gibt? Gerade die Berliner und die Hamburger Polizei wurden Mitte der neunziger Jahre kritisiert.

In beiden Städten haben sich die Vorwürfe in Luft aufgelöst. Nichts war belegbar. Berlin ist sehr hektisch, gewalttätig und unfreundlich geworden. Das hat auf alle Auswirkungen. Wenn man ständig im Stress ist und Überstunden macht, dann ist man nicht so freundlich wie ein Dorfpolizist.

Konkrete Konsequenzen gab es nicht?

Nein.

Angela Merkel hat einen Radikalenerlass im öffentlichen Dienst gefordert.

Von plakativen Forderungen halte ich nichts. Alle gesellschaftlichen und gesetzlichen Mechanismen sind intakt, sie müssen nur angewendet werden. Sie werden es im Übrigen auch. Wir haben aber keine Gesinnungsschnüffelei, die hatten wir damals auch nicht beim Linksterrorismus der RAF. Es gab mal zwei Berufsverbote, was zeigt, dass solche Leute erst gar nicht eingestellt werden, weil sie wissen, dass von ihnen eine andere Einstellung und Handlungsweise erwartet wird.

Einer ihrer Kollegen erwägt disziplinarrechtliche Schritte gegen Frau Müller. Ist das der richtige Umgang mit Kritik?

Viele Kollegen sind sehr sauer über ihre Behauptungen, und das ist nicht das erste Mal. Ich bin seit 27 Jahren Polizist und habe persönlich noch keinen Rechtsradikalen kennengelernt. Ich finde das in Ordnung. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist ein rechtsstaatliches Mittel. Wer sich so weit rauswagt, muss damit rechnen, dass andere beleidigt sind und sich dagegen zur Wehr setzen. Das ist ganz normal.

Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass sich Rechtsradikale auf Zustimmung bei einem Teil der Bevölkerung berufen können. Wäre es so verwunderlich, wenn sich dieser Prozentsatz auch unter Polizisten wiederfindet?

Ja, das wäre es. Polizist ist kein Beruf wie jeder andere, die Anforderungen an Polizisten sind ganz andere. Polizist kann nicht jeder werden. Wenn jeder Beruf so wäre wie der des Polizeibeamten, bräuchten wir keine Polizei.

Polizisten sind also durchschnittlich weniger rechtsradikal eingestellt?

Ja, wir sind auch bei weitem nicht so kriminell wie der Rest der Bevölkerung. Das kann man bei der Polizei in Promillezahlen messen, bei der Bevölkerung leider nicht.