Radio gegen Fernsehen

Radio days

Aufregend, aber unaufgeregt: So wird Fußball nur im Radio präsentiert.

Egal wo man sich gerade befindet, den Rundfunksender mit der Bundesliga-Übertragung kann man sofort an den dort gespielten Musiktiteln erkennen. Nur hier laufen noch Stücke wie »Seasons in the Sun«, »Sylvia's Mother Said« und allerhand anderer Kram, den zu senden sich außerhalb der Bundesliga-Berichterstattung niemand mehr traut. Warum, ist unklar, vielleicht befürchtet man, dass die Sportfans Angst bekommen, wenn sie Musik anhören müssen, die nicht von männlichem Leiden handelt oder dass sie sich erschrecken, wenn sie Rockgitarren oder Techno-Tracks hören.

Das ist aber auch schon der einzige Nachteil des Rundfunks. Denn die wahre Bundesliga findet eindeutig im Radio statt. Wenn sich samstags pünktlich um 15.30 Uhr die Reporter aus den Stadien melden, dann kann man ganz sicher sein, dass man sich immer auf Ballhöhe befindet. Mit einem aufgeregten »Tor in München, Tor in München« unterbricht man Schilderungen aus Leverkusen, wo eigentlich gar nichts passiert, der »Elfmeter in Stuttgart« ist viel wichtiger als das Mittelfeldgeplänkel in Cottbus, und wer geübter Radiohörer ist, der kann sogar schon an der Stimmlage der Reporter erkennen, für wen das Tor fiel oder der Elfer gepfiffen wurde.

Die Bundesliga im Rundfunk zu verfolgen, ist zudem eine sehr entspannende Angelegenheit, man muss nicht auf dem Sofa kleben und ellenlange Fernsehberichte ansehen, sondern kann sich in der Wohnung frei bewegen. Oder die Liga mit in den Park, ins Schwimmbad oder auf die Reise nehmen. Auch ohne lächerliche akustische Warnsignale, wie sie tm3 einführte, muss man nicht befürchten, etwas zu verpassen. Die Radio-Reporter werden tatsächlich nur dann laut, wenn etwas wirklich Wichtiges passiert, wegen einer Münchener Mini-Chance oder eines Freistoßes am Anstoßkreis machen sie grundsätzlich keinen unnötigen Alarm. Das schafft Vertrauen.

Und verdirbt einem endgültig den Spaß an »Ran« und »Sportstudio«, wo die Reporter schon die kleinste Bewegung auf der Auswechselbank bejubeln wie richtige Tore und jeder halbwegs gelungene Pass als Sternstunde des Fußballs gefeiert wird.

»Ran« und Konsorten müssen durchweg in voller Länge angeschaut werden, die Ankündigung, dass »sofort im Anschluss« die Hertha-Niederlage gezeigt wird, stimmt niemals. Denn bevor man das Spiel sehen darf, auf das man sich seit dem Ende der Bundesliga-Konferenzschaltung freut, muss man erst noch große Mengen unerheblicher Matches verfolgen. Exakte Zeitangaben unterbleiben dabei bewusst, und so verschwendet man vor dem Fernseher kostbare Lebenszeit.

Zudem verderben Fernsehübertragungen den Fan völlig für das tatsächliche Live-Event. Jemand, der es gewöhnt ist, bei Übertragungen immer dazwischenzuquatschen, weil er wichtige Szenen und Tore ja sowieso grundsätzlich in Zeitlupe nachgeliefert bekommt, steht im Stadion dumm da. Wer dort das Tor verpasst hat, hat keine Chance auf Wiederholung und muss zur Strafe nach dem Abpiff nach Hause hetzen und sich dann lange vor dem Fernseher herumquälen, bis er den Treffer endlich zu sehen bekommt.

Radiohörer dagegen sind es gewöhnt, sich über 90 Minuten hinweg zu konzentrieren, sie haben schließlich Übung darin, Fußballspiele auch ohne Jubelkommentare zu verfolgen und zu beurteilen, und die Geräuschkulisse, die ein normales Spiel mit sich bringt, erschreckt sie auch im Stadion nicht. Singende Fans und laute Sprechchöre kennen sie ja schon aus dem Radio, wo der Reporter auch im größten Lärm noch von großartigen Flankenläufen und katastrophalen Fehlpässen zu berichten vermag. Anders als seine Fernsehkollegen übrigens; dort werden die Stadiongeräusche meist derart heruntergepegelt, dass man den Eindruck haben muss, Werner Hansch säße ganz allein im weiten Rund und das Match werde einzig und allein zu seiner Unterhaltung ausgetragen.

Allzu sicher, dass man auch in Zukunft im Radio Standardsätze wie: »Wir rufen Bochum, Sabine Töpperwien, sind Sie da?« hören kann, sollte man jedoch nicht sein. Leo Kirch hat nämlich bereits erkannt, was für eine ernst zu nehmende Konkurrenz der Rundfunk ist. Beim ers-ten Samstagabend-Spiel dieser Saison, als Bayern Hertha schlug, waren dem Berliner Inforadio Livereportagen offiziell verboten worden.