Rechter Hochschulverband gegründet

Studieren geht über Organisieren

Die Gründung eines rechten Hochschulverbandes stellt die linken Selbstvertretungen vor Probleme.

Missachtet, missbraucht, misslungen. Den ganzen Sommer über machten Horrormeldungen aus den studentischen Selbstvertretungen die Runde. Doch pünktlich zum Beginn des Wintersemesters haben die Plagen der Studierenden ein Ende - und den Verursachern des Übels wurde der »Todesstoß« versetzt. So sehen es zumindest diejenigen, die sich für wahre Sachwalter der rund 1,8 Millionen Immatrikulierten halten: »Die warten doch nur auf eine angemessene Interessenvertretung.«

Was sich wie der Aufstand einer neuen Arbeiterbefreiungs-Avantgarde und der Jubel über den ersten Sieg anhört, kommt jedoch aus konservativen Kreisen. Anfang Oktober gründete eine vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) dominierte Gruppe den Bundesverband der Studierendenschaften (BVS). Mehr als fünf Asten allerdings schlossen sich bis Mitte Oktober nicht an.

Ziel des Verbandes ist die effektive Interessenvertretung der Studierenden auf Bundesebene, so die Gründungsväter. Darunter darf getrost alles verstanden werden, was mit studentischer Sozialpolitik und - wie könnte es anders sein - Hochschulpolitik zu tun hat. Sobald der Mikrokosmos des Hochschulbereiches aber verlassen wird, wolle der BVS schweigen. »Ein allgemeinpolitisches Mandat wird weder wahrgenommen noch gefordert«, lautet einer der Vereinsgrundsätze. Die inhaltlichen Ziele wiederum sind schnell aufgezählt: mehr Bafög, mehr Bücher, mehr Profs und die Verhinderung von Studiengebühren.

Den »Todesstoß« wollen die konservativen Studierenden mit ihrer Neugründung dem Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (FZS) versetzt haben. Kerry Sailer, Pressesprecherin des FZS, ist betroffen: »Verlogen, destruktiv und naiv zugleich« nennt sie die Vorwürfe. Schließlich habe man sich bei wichtigen hochschulpolitischen Fragen stets mit RCDS, Jusos und anderen arrangieren können.

Misserfolge räumt der FZS bereitwillig ein, doch alle Erfolge will er sich auch nicht absprechen lassen - was nach sieben Jahren Verbandstätigkeit kein übermäßiges Selbstlob ist, sondern eher realistische Selbsteinschätzung. Auch wenn mancher schon als »heiß« angekündigte Herbst eher lauwarm ausfiel und Beitritten zahlungskräftiger Asten entsprechende Austritte folgten. Zuletzt verließen die lange Jahre personell wie finanziell bedeutenden Studierendenschaften der Unis in Münster und Düsseldorf den Dachverband. 60 Asten, überwiegend aus Fachhochschulen und den finanzschwachen »Südhochschulen«, zählt der FZS heute noch.

Kritik am Verband kommt aber auch von links. Schon in der Gründungsphase kritisierten einzelne Asten, dass es ein »demokratisches Unding« sei, Hochschulen mit 200 Studierenden die gleiche Stimmenzahl zuzugestehen wie Unis mit 20 000 Eingeschriebenen. Zum Gründungsmythos avanciert ist inzwischen das Prinzip, dass jede Hochschule nur eine Stimme hat. »Stimmenstaffelung« sollte von Anfang an verhindert werden.

Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte macht diese Haltung zumindest historisch nachvollziehbar. 1993 fusionierte der Fachhochschulverband Freie Konferenz der StudentInnenschaften (FKS) mit dem deutlich kleineren Uni-Pendant Büro der Asten, Usten und StudentInnenräte (BAS). Für die Fachhochschulen galt das Prinzip »eine StudentInnenschaft - eine Stimme« als entscheidende Bedingung, um den eigenen Verband aufzulösen und den FZS zu gründen. Noch im letzten Jahr scheiterte der Beitritt von 17 Hochschulen an dieser Frage. Die Repräsentanten der Massenunis in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Bochum fürchteten, ihre Interessen nicht angemessen vertreten zu sehen.

»Linke Identitätspolitik« wirft Torsten Bultmann, Bonner Geschäftsführer des Bundes demokratischer WissenschaftlerInnen (BdWi) den Akteuren studentischer Bundespolitik vor. Gehe es im Kern doch weniger darum, ob der Verband links sei, als um die Frage, ob politische Richtungstreitigkeiten unter einem Dach ausgefochten werden könnten, damit er anschließend schlagkräftig nach außen auftreten kann. Analog zur Diskussion um die Organisationsform der deutschen Gewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg sei zwischen den Optionen Einheitsverband und Richtungsverband zu entscheiden. Momentan tendiere der FZS eher zum Richtungsverband mit Schrebergartenmentalität - was der Linken ja insgesamt nicht fremd ist. Geradezu schizophrene Situationen seien so entstanden, urteilt Bultmann. Denn zum Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) etwa oder bei Auseinandersetzungen um das politische Mandat schließen sich Mitgliedshochschulen und FZS-KritikerInnen zu inhaltlichen Bündnissen immer wieder zusammen. Das müsse man doch in einem Verband organisieren können.

Für einen Einheitsverband macht sich auch das Bündnis linker und radikaldemokratischer Hochschulgruppen (Lira) stark, das im FZS aber erst aufgehen will, wenn dort die Stimmenstaffelung eingeführt wird. Da es kein »allgemeines studentisches Interesse« gebe, müsse die Richtung studentischer Politik stets aufs Neue bestimmt werden.

Erst die Organisation, dann die Inhalte, lautet die Devise. Dem stimmen auch die Jusos zu. Zur Gründung des BVS erklärten sie, dass beide Verbände sich an einen Tisch setzen müssten, um eine Einigung zu finden. Während die Lira an der Notwendigkeit eines allgemeinpolitischen Mandats festhält, würden die Jusos eine Beschränkung auf die so genannte Hochschulpolitik in Kauf nehmen.

Die Einsicht, dass es einen schlagkräftigen Dachverband geben muss, einigt die studentischen PolitikerInnen aller Organisationen. Welche Funktion er haben soll, ist jedoch heftig umstritten. Zwischen revolutionären Träumen linker Asten-Vertreter und nationalkonservativen Modernisierungstendenzen im RCDS liegen Welten, an denen am Ende auch der Einheitsverband scheitern dürfte. In der Mitte darf sich derweil weiter das studentische Humankapital tummeln - immer auf der Suche nach eigenen Verwertungsmöglichkeiten und neuen Formen von Mitbestimmung.