Amtsantritt von Vicente Fox

Mit Dialog und Kruzifix

Mexikos neuer Präsident Vicente Fox verkündet zum Amtsantritt eine »Revolution der Hoffnung«. Die Zapatistas sind skeptisch.

Mexiko wird in Zukunft mit Dialog, Neoliberalismus und dem Kreuz Christi regiert. Die »Institutionalisierte Revolution« ist tot, jetzt kommt die »Revolution der Hoffnung«. Mit großem Spektakel übernahm am letzten Freitag Vicente Fox von der neoliberal-katholischen Partei der Nationalen Aktion (Pan) die Präsidentschaft. Nach 71 Jahren Dauerherrschaft der Partei der Institutionalisierten Revolution (Pri) soll »ab jetzt«, so Fox, alles besser werden. »Wir beginnen mit dem Aufbau eines erfolgreichen und triumphierenden Mexiko«, kündigte der Mann in den Cowboystiefeln an.

Tatsächlich bildet der Machtwechsel, der durch Wahlen im Juli ermöglicht wurde, einen tiefen Einschnitt. Mit der Pri tritt die dienstälteste Regierungspartei der Welt ab. Jahrzehntelang hatte sie das Land mit einer Mischung aus Autoritarismus und Sozialpopulismus regiert. Ihr Apparat kontrollierte nicht nur die Staatsorgane, sondern auch Gewerkschaften und Berufsverbände. Erst eine lang andauernde politische Krise infolge wachsender sozialer Spannungen erzeugte in den letzten Jahren die Risse, welche das System zum »Übergang zur Demokratie« zwangen, wie der Transformationsprozess von seinen Protagonisten bezeichnet wird.

Zwischen dem Besuch eines Armenviertels der Hauptstadt, Gebeten in der Basilika der mexikanischen Nationalheiligen Guadalupe und einem Gala-Diner mit 500 geladenen hochrangigen Staatsgästen umriss Fox vor dem Parlament die Grundzüge seines Regierungsprogramms. Dabei wurde deutlich, dass die von ihm proklamierte »Revolution der Hoffnung« vor allem den Versuch darstellt, die bisherigen neoliberalen Wirtschaftsreformen zu intensivieren und eine politische Modernisierung des Systems voranzutreiben. Garniert wird das alles mit dem Kruzifix, das jetzt in Mexiko - nach jahrzehntelanger Verbannung durch die laizistische Pri - aus der Mottenkiste geholt wird.

Fox möchte die Freihandelspolitik, welche die Pri-Regierungen schon seit Beginn der achtziger Jahre verfolgten, ausweiten. Am liebsten wäre ihm eine Freihandelszone von Alaska bis Feuerland. Interessant ist, dass er dabei nicht nur Waren, Kapital und Dienstleistungen frei zirkulieren lassen will, sondern von den USA auch eine Liberalisierung der Arbeitsmigration fordert. Neben Millionen von eingebürgerten ehemaligen Mexikanern leben sieben Millionen mexikanische Staatsbürger in den USA. Für die Bewohner ganzer Landstriche in Zentral- und Südmexiko bilden die Überweisungen der Migranten die Lebensgrundlage.

Obwohl Fox ankündigte, die Erdölgesellschaft Pemex und die Elektrizitätsgesellschaft, die betreffenden wichtigsten noch immer staatlichen Großunternehmen, nicht privatisieren zu wollen, möchte er die beiden Sektoren verstärkt für private Investitionen öffnen. Damit führt er die Pri-Politik der letzten Jahre weiter, die auf die Privatisierung lukrativer Bereiche des in Mexiko bis in die achtziger Jahre schwergewichtigen staatlichen Industriesektors zielte.

So ist es auch kein Zufall, dass mit Francisco Gil ein ehemaliger Pri-Kader neuer Wirtschaftsminister wird. Gil bekleidete schon unter der Präsidentschaft von Carlos Salinas (1988 bis 94) hochrangige Positionen, war Vizechef der Bank von Mexiko und Chef der Telefongesellschaft Avantel, die aus einem privatisierten Staatsunternehmen hervorging. Die Person Gils, der 23 Jahre Pri-Mitglied war, unterstreicht die zu erwartende Kontinuität auf dem zentralen politischen Feld der Ökonomie. Dass mit Carlos Abascal der ehemalige Vorsitzende des mächtigen Unternehmerverbandes Coparmex zum Arbeitsminister ernannt wurde, macht deutlich, dass Gewerkschafter in Zukunft noch weniger als bisher zu melden haben werden. Das Arbeitsressort war bisher stets von einem gewerkschaftsfreundlichen Minister geleitet worden. Wenig Hoffnung also für die Hälfte der 100 Millionen Mexikaner, die mit zwei Dollar pro Tag oder weniger auskommen muss.

Auf politischer Ebene scheint Fox, der Mexiko in Zukunft »wie ein großes Unternehmen führen« will, hauptsächlich an Stabilität gelegen zu sein. Unruhe stört nämlich die Geschäfte. So erklären sich seine Integrationsangebote an die Opposition. »Regieren heißt Dialog führen«, philosophiert der ehemalige Coca-Cola-Manager. »Die Stärke der Nation kann nicht von nur einem Gesichtspunkt kommen, von nur einer Partei oder Weltanschauung.« Deshalb finden sich im Umkreis seiner Regierung neben Anhängern der Pan eben auch ehemalige Pri-Funktionäre und sogar der Ex-Chef der linksorientierten Partei der Demokratischen Revolution (PRD), Porfirio Muñoz Ledo. Der Exponent des rechten Parteiflügels hatte sich mit Cuauthémoc Cárdenas, dem unterlegenen PRD-Kandidaten, schon vor den Präsidentschaftswahlen im Juli überworfen.

Von zentraler Bedeutung für Fox' Stabilitätskurs dürfte die Befriedung des rebellischen Bundesstaates Chiapas sein. Zumindest verbal kommt Fox den aufständischen Zapatistas entgegen, die seit beinahe sieben Jahren von der Bundesarmee belagert werden. »Die indígenen Gemeinschaften leiden unter einer intolerablen Situation der Ungerechtigkeit, Marginalisierung und Ungleichheit«, erkennt er die Misere der über zehn Millionen Indígenas an. Er sei daher bereit, die bereits 1996 zwischen Regierung und EZLN abgeschlossenen Verträge über »indianische Rechte und Kultur« auch umzusetzen.

Außerdem möchte Fox weitere Bedingungen für eine Wiederaufnahme des Dialoges mit der EZLN erfüllen. Dazu zählt der Rückzug der Armee aus einer Reihe von Landkreisen im zapatistischen Kerngebiet der Selva Lacandona. Tatsächlich hat Fox bereits in den ersten Stunden seiner Regierungszeit zumindest einige Straßensperren der Armee aufheben lassen, wenn auch kein wirklicher Abzug der über 60 000 Soldaten aus dem Konfliktgebiet begonnen hat.

Die Zapatistas reagierten auf diese Ankündigungen mit skeptischer Gesprächsbereitschaft. Auf einer Pressekonferenz am Samstag in der Rebellenhochburg La Realidad kündigte EZLN-Sprecher Subcomandante Marcos vor 250 Journalisten an, im Februar zusammen mit der Führungsgruppe der Guerilla in die Hauptstadt fahren zu wollen, sollte der Kongress tatsächlich das Gesetzespaket über »indianische Rechte und Kultur« verabschieden und auch die anderen Bedingungen erfüllen.

»Wir fahren hin und schauen, was passiert«, meinte der vermummte Pfeifenraucher. An Fox gerichtet, sagte er: »Während Ihrer Wahlkampagne haben Sie immer wieder davon gesprochen, den Dialog wieder eröffnen zu wollen. Das hat auch Zedillo gesagt und dann eine Offensive gegen uns geführt.« Der scheidende Ex-Präsident, der sich als »Gorbatschow Mexikos« feiern lässt, hatte am 9. Februar 1995, wenige Wochen nach seinem Machtantritt, die Armee in Marsch gesetzt, um die EZLN-Führung liquidieren zu lassen. Fox habe nun die Wahl zwischen »Krieg und Frieden«, meinte Marcos.

Während Verhandlungen zwischen der EZLN und der Regierung nun wahrscheinlich sind, haben andere bewaffnete Gruppen in Mexiko bereits klar gemacht, dass sie sich nichts von der neuen Regierung versprechen. Im Bundesstaat Oaxaca präsentierte sich am Freitagabend ein Kommando der Revolutionären Streitkräfte des Volkes (Farp). Mit Kalaschnikows in der Hand erklärten die maskierten Guerilleros, sie würden gegen den Kapitalismus kämpfen, auch wenn die Regierung einen Dialog mit den Zapatistas führe. Die Farp sind eine der zahlreichen Guerillagruppen mit lokalem Einfluss, die in allen südmexikanischen Bundesstaaten operieren.