Deutscher Neonazi will Gemeinderat in den Niederlanden werden

Grenzenlose Thule-Kämpfer

Die Kooperation zwischen der deutschen und der niederländischen extremen Rechten hat Tradition. Jetzt kandidiert ein deutscher Neonazi zum Gemeinderat in der niederländischen Stadt Kerkrade.

Auf beiden Seiten der deutsch-niederländischen Grenze war die Aufregung groß. Denn die rechtsextreme niederländische Partei Nederlandse Volks Unie (Niederländische Volksunion; NVU) hatte gerade bekannt gegeben, bei den in eineinhalb Jahren anstehenden Gemeinderatswahlen in Kerkrade mit einem deutschen Spitzenkandidaten anzutreten, dem einschlägig bekannten Neonazi Christian Malcoci. Neben Arnheim und Rotterdam ist Kerkrade bisher die einzige niederländische Gemeinde, in der die NVU kandidieren will.

Gezielt will die Partei in der Grenzstadt um die Stimmen der deutschen Einwohner werben, immerhin rund zehn Prozent der Bevölkerung. Das Wahlrecht macht Malcoci die Kandidatur leicht. Die einzige Bedingung besteht darin, sich spätestens sechs Wochen vor der Wahl beim Einwohnermeldeamt in Kerkrade anzumelden. Seine Partei muss nur 30 Unterschriften von Unterstützern vorlegen.

Verbindungen der deutschen extremen Rechten zu niederländischen Alt- und Neonazis sind nicht neu. Seit Anfang der achtziger Jahre lässt sich eine Intensivierung feststellen. In den Neunzigern bauten deutsche Neonazis die Kontakte aus, um eventuellen Verbotsmaßnahmen vorzubeugen oder mit Straßenaktionen in die Niederlande ausweichen zu können. So kam es vor allem in Kerkrade, Roermond und Venlo in den letzten Jahren immer wieder zu gemeinsamen Demonstrationen von deutschen und niederländischen Nazis.

Auch in kommunalpolitischen Aktivitäten schlug sich die Kooperation nieder. Malcocis Kandidatur ist bereits der zweite Versuch deutscher Nazis, Einfluss auf die Kommunalpolitik in Kerkrade zu gewinnen. Im März 1998 wollte André Zimmermann, Führungskader der Sauerländer Aktionsfront, für die Centrumspartij 86 (CP 86) kandidieren. Kerkrade blieb die Kandidatur schließlich erspart, da Zimmermann die deutsche Autobahn für einen Highway to Walhalla hielt; gemeinsam mit zwei Kameraden starb er im November 1997 bei einem Verkehrsunfall.

Auf der niederländischen Seite betätigen sich vor allem Constant Kusters und Martyn Freling als Drahtzieher im internationalen braunen Netz. Kusters, der aktuelle NVU-Geschäftsführer, will die Liste in seinem Wohnort Arnheim anführen. Dort kandidierte er 1994 für die CP 86. Anfang 1996 gehörte Kusters zu den Initiatoren des deutsch-niederländischen Anti-Kapitalistischen Komitees, in dem sich nationalrevolutionäre Kräfte rechter Wahlparteien sammelten. Freling war Beisitzer im Vorstand der Nationalen Offensive, Mitglied in der NSDAP/AO und Mitbegründer der ANS Nederland, dem niederländischen Ableger der deutschen ANS, dem auch Kusters angehörte. Er zog 1994 als Kandidat der CP 86 in den Stadtrat von Rotterdam ein. Nach seinem Ausschluss aus der CP 86 im Herbst 1996 blieb er als Fraktionsloser im Rat.

Auch der Enddreißiger Malcoci kann auf eine Karriere im Neonazi-Hardcore zurückblicken. Aus der Kameradschaft Grevenbroich kommend, mischte er bei der FAP und dann in der 1990 von FAP-Abtrünnigen um Michael Swierczek gegründeten Nationalen Offensive mit. Auch er ist Mitglied in der NSDAP/AO. Mehrere Jahre war Malcoci im Vorstand der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG), wurde dort aber aus taktischen Gründen ins zweite Glied zurückgesetzt, da er wegen Fortführung der ANS/SA in Stuttgart vor Gericht stand.

Auch an zahlreichen Straßenaktionen der Militanten nahm Malcoci führend teil. Er ist schon seit seiner Leitungstätigkeit im Anfang Mai 1985 eingerichteten Referat für Sicherheit im Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers auf »Anti-Antifa« spezialisiert. Neben den militanten Aktionen ist Malcoci auch auf der vermeintlich softeren ideologischen Ebene tätig. Konform mit dem Esoterik-Boom, der auch die esoterischen Seiten der europäischen Faschismen wieder aufleben ließ, gründete Malcoci im Herbst 1992 den Orden von Thule. Dieser versteht sich als »Instrument der Förderung der deutschen Kultur, zur Klärung von Glaubensfragen und zur Erforschung der mythischen Vergangenheit«. Im Sommer 1994 erschien die erste Nummer der Zeitschrift Thule - Zeitschrift des Ordens.

Ein genauerer Blick in das Blatt macht deutlich, dass das scheinbar harmlose Selbstverständnis, man empfinde »praktische Politik als unbefriedigend« und bewerte »eine Tätigkeit auf kulturellem Gebiet erheblich positiver« so ernst nicht gemeint ist. Es geht um Kult und Kampf. Der in Fortsetzung präsentierte »Appell« erzählt von mythischen Räumen, beginnend mit der Kultstätte des Thule-Mythos, dem Mitternachtsberg. Der Autor des 1940 geschriebenen Textes, Kurt Eggers, steht zugleich auch für Militanz: Eggers war an der Niederschlagung der Spartakisten 1919 wie auch am Kapp-Putsch 1920 beteiligt. Dann schloss er sich den Freikorps an und meldete sich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zur Waffen-SS. Damit die kulturbeflissenen Leser das auch merken, ist dem »Appell« ein Nachdruck aus dem Leitheft beigegeben: »Kurt Eggers - Ein Leben im Kampf«.

»Thule« ist auch das Signalwort der Aktivitäten von Malcocis Ehefrau Marie Luise. Auch sie ist im deutsch-niederländischen Grenzgebiet aktiv. Sie betreibt im Kreis Heinsberg den rechtsextremen Thule Multimedia Verlag. Auf der Verlags-Homepage erscheint als erstes eine schwarze Sonne, bei deren Anblick es nicht viel Fantasie braucht, um im Zentrum ein Hakenkreuz zu erkennen. Umrandet ist sie von Thorshämmern. »Der Hammer ist die sagenhafte Waffe des germanischen Gottes Thor. Er ist das Symbol des ursprünglichen Heidentums und somit dem christlichen Kreuz entgegengesetzt. Die Blitz und Donner erzeugende Waffe geht auf noch viel ältere indogermanische Ursprünge zurück. Thors Hammer ist Waffe und Werkzeug zugleich.« Das sei selbstverständlich nur »sinnbildlich« zu verstehen.

Doch die Kameraden wissen schon, wie es gemeint ist. In älterer NS-Literatur wird auf den Hammer und Karl Martell verwiesen, der die »Feinde des Reiches« niederschlug. Das dürftige Verlagsangebot besteht hauptsächlich aus Projektankündigungen, zum Beispiel einer dokumentarischen Buchreihe über verschiedene Musikrichtungen. Sie soll »über jene Vertreter musikalischer Bereiche« berichten, die »nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen trotz (!) ihrer musikalischen Leistungen und grandiosen Darbietungen eigentlich gebührt«. Es liegt nahe, dass der erste Band Glatzen-Combos wie Bound for Glory u.a. präsentiert. Gewidmet ist er zwei Märtyrern, dem 1994 getöteten Sänger von Bound for Glory, Eric Banks, und Joe Rowan. Rowan war Sänger bei Nordic Thunder und wurde im September 1994 bei einem Scharmützel mit schwarzen Jugendlichen nach einem Konzert zu Ehren von Ian Stuart (Skrewdriver) in Racine, Wisconsin, getötet.

Das zweite Buch soll dann »besonders all jenen Freude bereiten, die auf Mittelalter- oder Burgfesten alte wie neue Melodien und Texte von den neuzeitlichen Barden dargeboten bekamen«, und nach einem Band über »Außenseiter der Country-Musikszene und über Liedermacher« hat man es dann »auf Black Metal abgesehen«. Damit würde das Programm alle Stile umfassen, die derzeit bei der jüngeren Generation der extremen Rechten beliebt sind.

Ende Januar 2000 wurden die Privaträume Malcocis und das Verlagsbüro vom Staatsschutz Aachen im Rahmen von Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung durchsucht. Auf die Stadt Kerkrade kommt also eine harte Neonazitruppe zu. Deswegen wirken die bisherigen Reaktionen eher hilflos. André Brauers von GroenLinks kündigte an, die Unterstützer-Unterschriften veröffentlichen zu wollen. Alle im Rat vertretenen Parteien sind sich einig, gegen die Kandidatur der NVU vorzugehen. Man zeigt sich überzeugt, dass es in Kerkrade keinen Nährboden für Neonazis gebe. Brauers nimmt ausdrücklich die ortsansässigen Deutschen, auf die Malcocis Kandidatur besonders zielt, in Schutz. Diese seien, wie die deutsche Presse erfreut zitiert, »erzürnt über die Unterstellung, dass Deutsche nazistischen Überzeugungen nachhängen«.