TV-Streik in Tschechien

Beliebte Besetzer

Der Streik im tschechischen Staatsfernsehen stößt auf großen öffentlichen Zuspruch. Auch von Rechts.

Alles Maoisten«, wetterte der sozialdemokratische Ministerpräsident Milos Zeman. Für den Chef der privaten Fernsehstation TV Nova, Vladimir Zelezny, sind die Streikenden schlicht »Trotzkisten«. Für andere sind die Mitarbeiter des Fernsehsenders Ceska Televize (CT), die an Weihnachten ihr Studio besetzt hatten, aufrechte Verteidiger der Meinungsfreiheit. Wie kaum ein anderes Ereignis in den letzten Jahren erregt die spektakuläre Aktion die Öffentlichkeit in Tschechien.

Der Anlass dafür war die Berufung Jiri Hodacs, der als Anhänger des Vorsitzenden der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) gilt, zum Intendanten. Die CT-Mitarbeiter werfen ihm manipulative Berichterstattung vor und verlangen seine Ablösung.

Während ihre Forderung zunächst kaum auf positive Resonanz stieß, schlug die Stimmung letzte Woche zugunsten der Besetzer um. Am vergangenen Freitag stellte sich die Mehrheit des tschechischen Parlaments in einer vom Fernsehen direkt übertragenen Sondersitzung auf die Seite der rebellischen Redakteure. Nach einer 15stündigen Debatte stimmten 96 der 178 Abgeordneten für eine Resolution. Wenn Hodac nicht freiwillig zurücktrete, heißt es darin, solle ihn der Medienrat entlassen. Das Parlament kann den Fernsehrat zwar nicht direkt mit einer Absetzung beauftragen. Aber es ist anzunehmen, dass der Rat einer Resolution der obersten Legislativbehörde entsprechen wird.

Nun stehen nur noch die Abgeordneten der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) hinter Hodac. Es gehe bei dem Konflikt nicht um die Medienfreiheit, sondern nur um finanzielle Interessen, versuchen die Vertreter der ODS den neuen Fernsehchef zu verteidigen. Denn bei einem Führungswechsel müssten externe Produktionsteams den Verlust lukrativer und überbezahlter Aufträge befürchten. Die CT-Mitarbeiter würden mit ihrem Streik nur versuchen, dies zu verhindern.

Die Sozialdemokraten, deren Minderheitsregierung von der ODS toleriert wird und deshalb vom Wohlwollen der Bürgerlichen abhängig ist, bezeichneten den Aufstand der CT-Mitarbeiter zunächst ebenfalls als gesetzteswidrig. Doch wegen der zunehmenden öffentlichen Unterstützung der Streikenden hielten es die Sozialdemokraten für ratsam, einen Kurswechsel vorzunehmen. Am vergangenen Donnerstag versammelten sich rund 100 000 Prager auf dem Wenzelsplatz, um für die Presse- und Meinungsfreiheit zu demonstrieren.

Auch stoßen die rigiden Methoden des neuen Intendanten bei den Sozialdemokraten mittlerweile auf Widerspruch. So hat sich Hodac den besonderen Unmut des sozialdemokratischen Kulturministers Pavel Dostal zugezogen. Während der Minister in einer Nachrichtensendung den protestierenden Redakteuren den Entwurf eines neuen Mediengesetztes erläuterte, ließ Hodac die Übertragung abbrechen. Dostal erklärte anschließend, dass er den Fernsehchef deswegen verklagen werde. Dieser habe schließlich verhindert, dass die Bevölkerung über die Vorgänge im Czeska Televize unterrichtet werde. Unterstützung bekommen die Streikenden auch von der rechten Opposition der so genannten Vierer-Koalition, die sich aus bürgerlich-konservativen Parteien zusammensetzt.

Bei den Senats- und Regionalwahlen letzten November haben diese vier Parteien große Gewinne verbuchen können. Sie haben mancherorts nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die ODS-Kandidaten deutlich geschlagen. Da sie um ihren Einfluss auf die Medien fürchteten, standen sie Hodac von Anfang an ablehnend gegenüber. Es sei eine schlechte Wahl gewesen, ausgerechnet eine Person zum Generalintendanten zu machen, die dem ODS-Vorsitzenden und Parlamentspräsidenten Vaclav Klaus hinterherlaufe, beklagte Vladimir Mlynar, Vorsitzender der Union der Freiheit.

Die Vorsitzende des tschechischen Journalistenverbandes, Irena Valova, beschuldigt hingegen beide Seiten, Propaganda zu betreiben und die Öffentlichkeit für eigene Machtinteressen zu missbrauchen. »Es handelt sich nicht mehr um Journalismus, sondern um einen internen Machtkampf«, sagte Valova der Prague Post. Beide Seiten, so ihre Bilanz, wollten das tschechische Fernsehen beherrschen. Die Besetzer hätten zunächst nur ihre Privatinteressen verfolgt. Erst nach einer Woche sei die Gewerkschaft hinzugezogen worden. Daher fehle dem Streik nach Meinung von Valova die juristische Legitimierung.

Am ersten Januar rief die Unabhängige Tschechische Fernsehgewerkschaft, der die Besetzter angehören, dann doch noch zum Streik auf. Mit dem Aufruf soll eine drohende Zwangsräumung verhindert werden. Seit dem 2. Januar haben sich auch im Studio in Brno die Reporter mit den Streikenden solidarisiert.

Doch bei den Protesten gegen den neuen Intendanten geht es mittlerweile nicht mehr nur um einen internen Machtkampf in der Sendeanstalt. An den Reden auf der Großdemonstration vergangene Woche wurde deutlich, dass sich darin auch ein diffuses Unbehagen an der gegenwärtigen tschechischen Politik ausdrückt. »Politiker sind Lügner«, erklärte der Demonstrationsteilnehmer Jan Gabriel gegenüber Associated Press. »Ich mag die Deals nicht, die sie aushandeln. Daher brauchen wir eine freie Presse.«

Betont wurde immer wieder, dass die Menschen in Osteuropa nach den Erfahrungen mit dem Realsozialismus besonders sensibel auf Manipulationen durch Parteien reagierten. »Das ist ein Test für unsere neue Demokratie und dafür, ob es die Menschen schaffen, ihre Meinung durchzusetzen, oder ob sie wieder von Parteien manipuliert werden«, sagte Monika Pjerova, Mitglied der populären »Danke, geht jetzt«-Bewegung. Sie sprach von einem »Aufstand«, der für die Bevölkerung eine wichtige Erfahrung sei, um sich gegen den übermächtigen Einfluss der Regierenden zu verteidigen.

In anderen Medien wurde der Konflikt hingegen bislang eher süffisant kommentiert. Die Tschechen hätten noch nicht gelernt, »mit ihren demokratischen Institutionen umzugehen«, schrieb etwa die Englisch-sprachige New Prague Post.

Dabei handelt es sich bei den Streikenden nicht um übriggebliebene Maoisten oder sonstige Linke. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist der staatliche Sektor der einzige Bereich, in dem Auseinandersetzungen um Bürgerrechte überhaupt noch stattfinden. Auf die Frage, wie er an Hodacs Stelle reagiert hätte, antwortete TV-Nova-Chef Vladimir Zelezny grinsend: »Zuerst einmal hätte ich klar gemacht, dass ich hier der Direktor bin.«